Nachstehender Artikel von Andreas Balzer erschien am 19.1.2002 im Kulturteil der westfälischen Tageszeitung »Der Patriot«.
In der Printausgabe war der Artikel mit Fotos und Zeichnungen illustriert, die allerdings auch auf anderen www.wk-giesa.de-Seiten zu finden sind und die ich deshalb hier nicht noch einmal präsentiere.
Die Veröffentlichung an dieser Stelle erfolgt mit freundlicher Genehmigung der Tageszeitung Logo der Tageszeitung »Der Patriot«

(Aktuelles)            (That's me)

»Dieser Planet ist zu klein für mich und meine Fantasie«
Werner K. Giesa gehört zu Deutschlands führenden Heftroman-Autoren
Gruselfans kennen ihn als »Professor-Zamorra«-Chefautor Robert Lamont

Von Andreas Balzer

LIPPSTADT Marcel Reich-Ranicki hat seinen Namen vermutlich nie gehört, und Sigrid Löfflers Edelpostille »Literaturen« wird ihm nie eine Titelgeschichte widmen. Und doch ist Werner Kurt Giesa einer der produktivsten deutschen Schriftsteller. Weit über 700 Romane hat der langjährige Lippstädter bereits veröffentlicht. Erschienen sind sie unter eigenem Namen oder unter so so illustren Pseudonymen wie Mike Shadow oder G. Hastur in Serien wie »Star-Gate«, »Gespenster-Krimi« oder »Dämonenkiller«. Gruselfans kennen ihn aber vor allem als Robert Lamont. Unter diesem Namen ist der 47-Jährige Chefautor der populären Mysteryserie »Professor Zamorra«.

Die Schmuddelkinder der Literatur

Werner K. Giesa schreibt »Groschenromane«. Mit »Perry Rhodan«, »John Sinclair«, »Jerry Cotton«, »Lassiter« oder eben »Professor Zamorra« haben die schlanken Romane einige veritable Stars hervorgebracht. Doch die Hefte gelten immer noch als die Schmuddelkinder der Literatur. Man wird nicht gerne mit ihnen gesehen. Die rund 60-seitigen Hefte versprechen den schnellen Thrill für zwischendurch: das Weltraumabenteuer für die U-Bahn, die leidenschaftliche Romanze vor dem Zubettgehen. Doch das offenherzige Bekenntnis »Ich lese Heftromane« ist eben nicht ganz so prestigeträchtig wie der Meter Goethe und Shakespeare im Regal, auch wenn der komplett ungelesen ist.
Für Giesa ist die Unterscheidung zwischen anerkannter Literatur, sei sie ernst oder unterhaltend, und »Schund« ein sehr deutsches Phänomen. »Kein Amerikaner wird abfällig auf ein Heft runterschauen, nur weil es nicht in dicke Buchkartondeckel gebunden ist. Aber bei uns werden die Hefte ganz schnell versteckt, wenn Besuch kommt, damit ja keiner auf die Idee kommen könnte, man liest so etwas.«
Den passionierten Cowboyhutträger und bekennenden Country-Fan bekümmert das schlechte Image der »Trivialliteratur« wenig. »Ich bin ein Autor für die Masse, nicht für die Elite«, räumt er im Gespräch freimütig ein. »Ich habe die ganz große Befürchtung, dass die Bücher in dem Moment, in dem die Kritiker sie hochloben, von der breiten Masse nicht mehr gelesen werden. Und ich möchte, dass sehr viel gelesen wird.«
Der seit 1985 in Altenstadt bei Frankfurt/Main lebende Schriftsteller ist ein bekennender Fließbandproduzent, aber sein innerer Motor ist ein sehr persönlicher Traum. »Sterne«, sagt Monty Laird, der Held seines als Hardcover erschienen SF-Romans »Mutabor«. »Milliarden von Sternen. (...) Ich würde alles dafür geben, dort draußen im All zu sein, von Stern zu Stern zu fliegen und ihnen ganz nah zu sein.«

Von Lippstadt zu den Sternen

Foto: Andreas BalzerEs ist der Autor, der hier spricht. »Dieser Planet ist zu klein für mich und meine Fantasie, und wenn ich mir in nächtlichen Arbeitspausen oder bei nächtlichen Spaziergängen behufs Ideenfindung den prachtvollen Sternenhimmel ansehe, frage ich mich, warum ein so gigantisches Universum existiert, wenn wir es nicht erreichen können sollen«, schreibt Giesa auf seiner Homepage (www.wk-giesa.de). »Nur weil unsere so von sich und ihren Lehren überzeugten Wissenschaftler den Trick noch nicht herausgefunden haben, wie man sich schneller als das Licht bewegt? (...) Also bleibt mir nichts anderes übrig, als meine Träume auf die Reise zu anderen Welten zu schicken.«
Den Ruf der Sterne hörte Werner K. Giesa schon früh. Geboren wurde der Herr der Hefte 1954 in Hamm. 1965 zog er mit seinen Eltern ins beschauliche Lippstadt, das schon bald zur Basis seiner literarischen Erforschung anderer Welten werden sollte.
Den Anstoß gab »Ren Dhark«. Die 1966 gestartete SF-Heftserie des Ex-Perry-Rhodan-Autors Kurt Brand übte auf den Schüler des Ostendorf-Gymnasiums eine Faszination aus, die ihn nie wieder loslassen sollte. Heute gehört Giesa zu den Autoren, die die inzwischen als Hardcover veröffentlichte Serie nach dem Tod ihres Erfinders im Jahr 1991 fortschreiben.

Auflage von einem Exemplar

Davon war der junge Werner freilich noch weit entfernt. Seine ersten Geschichten, handgeschriebene SF-Stories mit selbst gezeichneten Titelbildern, ließ er in der Klasse rumgehen. Und obwohl diese Frühwerke gerade mal die Auflage von einem Exemplar erreichten, nannte er seinen »Verlag« stolz »terrapress«.
Giesas Aktionsradius weitete sich jedoch schnell aus, als er Kontakt zum so genannten Fandom bekam. Neben den »schnellen Konsumenten«, die ein Heft kaufen, lesen und dann wegwerfen existiert eine aktive Szene eingefleischter Fans und Sammler, die ihre Leidenschaft in Clubs, Magazinen oder bei Fan-Veranstaltungen, den Conventions oder kurz Cons, offen ausleben.
Gemeinsam mit einem Bekannten besorgte sich der 19-jährige Giesa einen Spiritus-Umdrucker, mit dem er eine regelrechte Massenproduktion startete, um das Fandom mit seinen Geschichten zu überschwemmen. Die ersten Versuche des Nachwuchsautors, seine Werke professionell zu verkaufen, scheiterten indes kläglich. Die eingesandten Romane wurden nicht einmal gelesen. Schließlich fand sich jedoch ein niederländischer Literaturagent, der einige Kurzgeschichten kaufte und übersetzten ließ und Giesa schließlich an das Agenten-Ehepaar Karin und Jürgen Grasmück verwies.

Ein Agent namens Dan Shocker

Hinter Jürgen Grasmück verbarg sich niemand geringeres als – Dan Shocker. Als Erfinder populärer Horror-Serien wie »Larry Brent« und »Macabros« gehörte Shocker zu den Großmeistern der Szene. Er schlug Giesa vor, es zunächst einmal mit Gruselgeschichten zu versuchen. Dazu hatte der leidenschaftlichen SF-Fan, der inzwischen in Paderborn Kunst und Germanistik studierte, eigentlich wenig Lust. Dennoch ließ er sich darauf ein und schrieb so nicht nur seinen ersten »Gespenster-Krimi« (1978 als »Burg des Unheils« unter dem Pseudonym Mike Shadow veröffentlicht), sondern kam auch zu »Professor Zamorra«.
Die Serie, die zur wichtigsten seiner Karriere werden sollte, gefiel Giesa freilich überhaupt nicht. Sie war, wie er rückblickend meint, »ein unter dem Sammelpseudonym Robert Lamont von mehreren Autoren geschriebenes Chaotikum von Abenteuern eines Parapsychologen und seiner perücken- und modesüchtigen Sekretärin. Ein übergreifendes Konzept gab es wohl nicht, jeder Autor schrieb im stillen Kämmerlein vor sich hin und ließ den Dämonenjäger in jedem Roman mindestens die gesamte Hölle massakrieren.«
Doch Herausforderungen sind dazu da, angenommen zu werden. »Ich machte mich an die Arbeit und schrieb einen ›Professor Zamorra‹, wie ich ihn lesen wollte, und frech wie ich war, brachte ich auch gleich SF-Elemente darin unter!«
Zu Giesas eigener Überraschung kaufte der damalige Redakteur Helmut Reelergerd – besser bekannt als »John-Sinclair«-Autor Jason Dark – »Das Dämonenschiff« nicht nur, sondern gab gleich weitere Romane in Auftrag. Einmal zum Zuge gekommen, entwickelte sich Giesa bald zum Hauptautor der bei Bastei erscheinenden Serie, die er ab 1986 sogar zehn Jahre lang allein schreiben sollte. Heute ist er der Kopf eines dreiköpfigen Autorenteams und der einzige, der das einstige Sammelpseudonym Robert Lamont benutzt.
Und je mehr Giesa schrieb, desto mehr passte er die Serie seinen Vorstellungen an, indem er heftübergreifende Handlungsstränge einführte, das klare Gut/Böse-Schema durch eine differenziertere Darstellung der Helden und ihrer Gegenspieler aufbrach und gesellschaftskritische Töne einfließen ließ.
»Werner, was hast du bloß aus dem Zamorra gemacht? Den kennt ja keiner wieder«, fragte Giesas Vorbild und langjähriger Freund Kurt Brand einmal kopfschüttelnd. Der Chefautor nahm's als Kompliment. »Der ›Zamorra‹ giesascher Prägung ist der Versuch, aus den Zwängen des Heft-Genres auszubrechen und etwas mehr als spannende Unterhaltung zu präsentieren«, betont der Schriftsteller. »Ich möchte den Leser unterhalten, aber auch Denkanstöße in kultureller, sozialer und politischer Hinsicht geben. Zum Beispiel indem ich zeige, dass jeder, der Krieg führt, dumm ist.«
Seit dem 11. September 2001 hat Giesa ein Zitat des SF-Autors Edwin Charles Tubb auf seine Homepage gestellt: »Krieg ist immer das Eingeständnis eines Versagens. Es gehört auch nicht viel Intelligenz dazu, einem Schwächeren eine Keule über den Schädel zu ziehen.«
Eine Haltung, die sich konsequent durch das Werk des 47-Jährigen zieht. Natürlich kommen auch Giesas Romane nicht ohne Action aus. Aber seine Helden suchen immer wieder nach möglichst unblutigen Lösungen. Das Konzept hatte Erfolg. Als der Heftroman-Sektor im 1986 in eine tiefe Krise geriet und viele Serien eingestellt wurden, gehörte »Zamorra« zu den Überlebenden.
»Dass ›Zamorra‹ sich gehalten hat, liegt zum Teil daran, dass er eine sehr treue Fangemeinde hat«, erklärt der Chefautor. »Die Leute, die ›Zamorra‹ lesen, bleiben meistens dabei, während normalerweise bei Heften die Lesergeneration so etwa alle fünf Jahre wechselt.«
Neben »Zamorra« bleibt Giesa heute kaum mehr Zeit für andere Projekte, und selbst bei seiner Stammserie musste er in den letzten drei Jahren kürzer treten, weil er sich um seine pflegebedürftigen Eltern in Lippstadt kümmern musste. Im Laufe seiner fast 25-jährigen Karriere blieb der Schriftsteller jedoch keineswegs auf eine Serie beschränkt. Der umtriebige Autor verfasste unter anderem Romane für »Star-Gate«, »Perry Rhodan«, »Mythor«, »Dämonenkiller«, »Der Magier« und »Damona King« und veröffentlichte quasi nebenbei noch die für sich stehenden SF-Romane »Mutabor« und (mit Claudia Kern) »Hagar Qim« (beide 1997). Heute schreibt der 47-Jährige noch regelmäßig für »Ren Dhark« und lektoriert die Buchausgabe der Kurt-Brand-Serie »Raumschiff Promet«.
Reich gemacht hat Giesa diese ungeheure Produktivität nicht. »Relativ wenig« bekomme man für ein Romanheft, betont er. Genaueres ist nicht zu erfahren. Über Honorare spricht man in der Szene ebenso wenig wie über Auflagenzahlen. So viel aber verrät er: Um vernünftig leben zu können, müsse man schon drei Hefte im Monat schreiben.
»Man schafft das, indem man sich hinsetzt, abends gegen zehn, elf und bis morgens durcharbeitet.« Für ein Heft mit gut 60 Seiten braucht Werner K. Giesa zwischen zwei Wochen und 23,5 Stunden, »Das war der absolute Rekord, den schaffe ich aber heute nicht mehr. Da war ich 15 Jahre jünger.«
Für ein Privatleben bleibt da nicht viel übrig. Seit 1988 war der Mann, der Woche für Woche die Galaxie und andere Dimensionen erforscht, nicht mehr im Urlaub.
Ein schrulliger Eremit ist Werner K. Giesa trotzdem nicht. Seit 1986 ist er mit seiner Frau Heike verheiratet, die selbst Hefte-Fan ist und alle Zamorra-Romane ihres Mannes lektoriert. Kontakt zu seinen Lesern hält der Autor über die »Zamorra«-Leserbriefseiten und regelmäßige Auftritte bei Fan-Veranstaltungen wie dem jährlichen Buchmesse-Convent, der im Raum Frankfurt/Main abgehalten wird.

700 Millionen Vampirgeschichten

Ein weiteres Kommunikationsangebot ist Giesas Homepage. Auf der erfrischend schrägen Seite gewährt der Autor nicht nur Einblick in sein Schaffen, sondern beansprucht auch gleich »die Lufthoheit über den Kneipenstammtischen«, indem er mit viel Lust an der Polemik das politische Geschehen kommentiert.
Ans Aufhören denkt der manische Vielschreiber noch lange nicht, auch wenn er einräumt, dass eigentlich schon alles geschrieben sei: »Wenn ich eine Vampirgeschichte schreibe, weiß ich, dass es schon 700 Millionen Vampirgeschichten gibt. Also muss ich sehen, dass ich eine neue Perspektive eröffne.«
Dass Giesa dabei die Fantasie ausgeht, ist nicht zu befürchten. Schließlich betont er: »Die Ideen, die ich im Kopf habe, die müssen raus. Ob ich will oder nicht, die müssen raus.«





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