»Ups!« - Zeichnung: WKG

GESCHICHTEN,
DIE DAS LEBEN SCHRIEB …

… und von denen einige in den vergangenen Jahren in diversen Publikationen veröffentlicht wurden (z. B. »Subway«, »Underground« und »PapperLaPapp«), hier wieder komplett verfügbar präsentiert. Und Neues ist natürlich auch dabei.



          Ein unschuldvolles kleines Lamm
          lag ausgestreckt am Fahrbahndamm.
          Bemerkt sei hier, das tat es nur,
          weil man es vorher überfuhr.
          Was deutlich macht: im Strassenstaub
          kann jeder landen, mit Verlaub.
          Aus: Klaus Lettke, Vers und Pferdefüße, Eulenspiegel-Verlag

»Einmal Plakette, bitte!«

Bekanntlich sollte man so etwa alle zwei Jahre sein Auto zur sogenannten »Hauptuntersuchung nach Paragraph wasweißich StVZO« zu TÜV, TÜA oder DEKRA oder sonstwohin bringen, auf gut deutsch: 'ne neue TÜV-Plakette beschaffen. Auch W. K. Giesa ist solcherlei Verpflichtung nicht ganz unbekannt, und so lenkte er also eines schönen Märztages anno domini 1996 sein Flaggschiff zur Prüfanlage, um sich eine kleben zu lassen – bzw. seinem Auto.
     Selbiges gelang nun fürtrefflich und hatte diesmal gar köstlichen Unterhaltungswert als Gratis-Draufgabe. Vor Giesas stattlichem Raudi-Audi wartete nämlich ein rasendes Erdbeerkörbchen mit praktischem Handgriff zum Wegwerfen, vom Hersteller euphemisch Überrollbügel genannt. Kurzum: ein Au-Weh-Gölfchen, Typ Cabrio, schwarz mit schwarzem Verdeck, hinter dem Lenkrad ein fescher Jüngling mit schwarzlockigem Haar, der den Disco-Girlies sicher gefallen würde. Während man nun gelassen darauf wartet, an die Reihe zu kommen, checkt der Jüngling noch mal alles an seinem Breitreifen-GerätOhneLogischeFunktion durch und startet alle paar Minuten recht unmotiviert den Motor, um ihn zehn, fünfzehn Sekunden vernehmlich donnern zu lassen und dann wieder abzuschalten. Ob er an die Existenz des Motörchens nicht so recht glaubte und sich daher ständig vergewissern wollte, daß das Ding noch da war?
     Ebenfalls alle paar Minuten, allerdings nicht des Motorstarts wegen, öffnete sich ein Fenster des Bürotrakts, vor dem wir warteten, und jeweils ein anderer TÜV-Mitarbeiter betrachtete ungläubig staunend das schwarze Mißrät. Alldieweil dessen Kennzeichen ganz ordentlich mit zwei Schrauben am richtigen Platz befestigt war. Allerdings in Form eines bräunlichen Pappstreifens, etwas krakelig per Filzstift in ehrlicher Handarbeit mit Buchstaben und Zahlen verziert.
     Der ersehnte Aufruf kommt: Das Cabrio auf Bahn 2, Giesas Vehikel auf Bahn 1. Während nun die Prüfer ihres Amtes walten und Giesas Audi die Plakette problemlos ans Nummernschild geklatscht bekommt, erklärt der Kollege an Bahn 2 in heiterer Gelassenheit: »Die Untersuchung können wir uns ruhig sparen. So kommen Sie mir sowieso nicht vom Platz.«
     »Nix verstehen.«
     »Da is' ja nicht mal 'n Kennzeichenschild, wo ich 'ne Plakette draufkleben könnte!«
     Zeter und Mordio. Bühnenreif. »Nummernschild mir heute nacht von böse Mensch geklaut. Was machen?«
     Na ja, ausländischen Mitbürgern gegenüber ist man ja durchaus hilfreich und drückt auch schon mal ein Auge zu; die Prüfzeremonie beginnt also doch noch. »Die Plakette kann ich Ihnen aber erst dann geben, wenn Sie mit einem ordentlichen Kennzeichen noch mal hierher kommen. Ich kann Ihnen nur den Prüfbescheid aushändigen, und den Stempel in den Fahrzeugschein …«
     Augenblicke später, bei Kontrolle der Fahrgestellnummer, geht das Gejäte erneut los: »Na, dann wollen wir doch gleich mal die Polizei holen!«
     Dieweil nicht das Kennzeichenschild geklaut war, sondern das Fahrzeug …
     Faszinierend …

Copyright © by Werner K. Giesa



»Sind Sie
der Halter des Fahrzeugs …?«

1. Kapitel

Hin und wieder kommt es vor, daß ein Auto in die Werkstatt muß. Also bringt der dicke Herr Giesa seinen VW Passat Variant, bei dem sich im Laufe etlicher Monate – teilweise durch längeren Nichtgebrauch, weil ständig mit dem anderen Wagen unterwegs – ein paar Kleinigkeiten summiert haben, zur Werkstatt und erteilt den Reparaturauftrag. Fahrlicht rechts, Blinker links, Heckscheibenwischer funktioniert nicht, Zentralelektrik prüfen, Türschloß rechts hakt und läßt sich von außen zwar per Schlüssel bedienen, nicht aber anschließend öffnen. Und – bitte dritte Bremsleuchte montieren, Teil liegt im Fahrzeug auf dem Beifahrersitz bereit.
     Und es eilt nicht; lassen Sie sich ruhig Zeit. Ich hab' ja noch ein anderes Auto greifbar.

     Die Tage vergehen. Die Wochen vergehen. Stört mich nicht, habe ja extra gesagt, daß es nicht eilt, und je länger die Werkstatt abwartet, desto später muß ich die Rechnung begleichen.


2. Kapitel

Inzwischen sind etwa 5 Wochen vergangen. In den frühen Mittagsstunden klingelt's an der Haustür. Eher zufällig bin ich, eigentlich Nachtarbeiter und Tagschläfer, schon wach – zum Glück! Die Freunde und Helfer stehen im Doppelpack vor der Tür.
     »Sind Sie der Halter des Fahrzeugs FB-LC 471?«
     Muß ich tatsächlich im Fahrzeugschein nachsehen. Dieses Kennzeichen habe ich mir noch nie merken können; normalerweise habe ich seit -zig Jahren Wunschkennzeichen, aber bei diesem Fahrzeug war das nicht möglich. Der Freund und Helfer hilft nach: »Weißer Passat Variant …«
     »Ja, stimmt. Was ist damit?« frage ich erstaunt. Ist der Wagen geklaut worden? Hat es Ärger in der Werkstatt gegeben? Was auch immer – ich bin ja auch noch nicht mal so richtig wach. In der Küche brodelt noch die Kaffeemaschine. Vor ein paar Minuten erst bin ich unten am Briefkasten gewesen, um die Zeitung heraufzuholen, die jetzt aufgeschlagen auf dem Eßtisch liegt.
     »Das Fahrzeug steht im Halteverbot und behindert die Müllabfuhr. Die Jungs kriegen ihren Riesenkasten da nicht dran vorbei.«
     Ich entsinne mich: heute wird das Altpapier abgeholt. Habe ja selbst erst noch in den Nachtstunden 'ne große Kiste an die Straße gestellt. Aber hallo! Wieso steht mein Wagen im Halteverbot und behindert …?
     ???
     »Das kann nicht sein! Ich habe den Wagen Anfang letzten Monats in die Werkstatt gebracht, und seitdem ist er dort!«
     »Er steht hier im Halteverbot.«
     Das! Ist! Doch! Unmöglich! Wie soll der Passat hier sein, wenn er doch in der Werkstatt steht? Oder hat ihn da einer geklaut? Bloß, warum soll der den Wagen dann ausgerechnet in unsere Straße gebracht haben? Blödsinn hoch tausend!
     Aber der Bulle und die Bullette vor meiner Tür klingen einfach glaubwürdig, und der Dienstausweis ist echt. Keine versteckte Kamera. Ich will mir das live ansehen. Greife zum Schlüsselbrett. Da hängt der Zweitschlüssel. Aber nur der für die Türen. Das Zündschloß ist irgendwann mal in einem Notmanöver ausgetauscht worden, auf die Schnelle war ein zum Schlüssel passendes Schloß nicht zu bekommen; seither fahre ich den Passat mit zwei Schlüsseln. Und habe dämlicherweise für das neue Zündschloß nie einen Zweitschlüssel fertigen lassen; das wird nun aber in Kürze nachgeholt! (Noch katastrophaler ist der im westfälischen Lippstadt stationierte Drittwagen, der hat nach ähnlich dünnsinnigen Tauschaktionen gleich drei Schlüssel – einen fürs Zündschloß und die Beifahrertür, einen für die Fahrertür, einen für den Kofferraum …oder war's andersherum?)
     Vorsichtshalber warne ich die Cops schon mal vor, daß ich eben nur den Türschlüssel habe und der Zündschlüssel in der Werkstatt sein muß.
     Tatsächlich steht der Passat da.
     Es ist absolut bescheuert: als ich die Zeitung 'raufholte, war ich auch noch mal draußen an der Straße, weil im Briefkasten Werbezettel lagen, die ich gleich mit ins Altpapier geschmissen habe. Habe noch nach rechts und links gesehen, mich darüber amüsiert, daß vorm Nachbarhaus ein Altpapierkasten aufgeplatzt ist und seinen Inhalt über den ganzen Gehsteig verstreut hat. Habe auch gesehen, daß ein Auto daneben stand. Aber nicht registriert, daß das mein Passat ist!
     Alldieweil ich den Wagen erstens nie an dieser Straßenseite ins Halteverbot stelle. Alldieweil ich hinterm Haus einen eigenen Stellplatz für das Vehikel habe. Weshalb also sollte ich das Auto da parken, wo es nichts zu suchen hat? Vermutlich habe ich den Wagen deshalb auch gar nicht als meinen eigenen erkannt. Weil er da eben nie steht und nie zu stehen hat.
     Aber da steht er!
     Mittlerweile haben sich auch ein paar neugierige Nachbarn versammelt, ein Polizeiaufmarsch ist ja immer eine große Sensation im kleinen Dorf, und man spekuliert, jemand habe den Wagen hinten vom Stellplatz geklaut und hier stehengelassen, weil er nicht weiterfuhr oder was auch immer – eine durchaus schlüssige Vermutung, weil der Stellplatz von der Straße aus nicht einsehbar ist und niemand wußte, daß ich den Wagen ja schon vor Wochen zur Werkstatt brachte. Besagte Nachbarn behaupten auch, der Passat stehe da schon seit gestern mittag.
     Mag ja sein. Mit dem anderen Wagen bin ich zwar gestern draußen gewesen, aber vom Hinterhofparkplatz über einen völlig anderen Weg, und habe die Straße nicht mal von weitem gesehen. Selbst wenn – hätte ich den Passat wahrscheinlich ebensowenig registriert wie vorhin beim Zeitungsholen und Altpapierweitwurf. Weil er da eben nie steht und nie zu stehen hat.
     »Vielleicht liegt der Schlüssel ja im Briefkasten?« fragt der Cop hilfsbereit, der durchaus glaubt, daß jemand von der Werkstatt den Wagen hergebracht hat. Was aber der Tatsache widerspräche, daß das Auto seit gestern mittag da steht und ich den Briefkasten mittlerweile zweimal leerte. Vorsichtshalber schaue ich trotzdem nach – leer.
     Aufschließen läßt sich der Wagen immerhin. »Schauen Sie mal hinter die Sonnenblende.« Kein Schlüssel. Nicht im Handschuhfach, nicht sonstwo im Wagen, nicht hinter den Radkappen. Wenigstens sind die Räder geradegestellt; wir können den Passat also mit gemeinsamer Anstrengung ein paar Meter bergauf zurückschieben, so daß die Müllabfuhr durchkommt. »Welche Werkstatt ist das denn?«
     Ich nenne den Namen. »Haben Sie die Telefonnummer? Wir könnten mal eben da anrufen.« Auch Cops besitzen Handys. Woher soll ich aber die Rufnummer auswendig wissen? »Wir fahren da gleich mal vorbei«, verspricht die Bullette, und weg sind die beiden.
     Ich beruhige die Nachbarn, die so was von ihren Werkstätten auch nicht kennen und sich recht entrüstet geben. Ich kehre in die Wohnung zurück. Computer an, Telefonnummer suchen, wählen. »Kein Anschluß unter dieser Nummer.« Telefonbuch geschnappt. Gesucht. Nummer noch eingegtragen, besagt aber nichts. Private Telefonnummer: Leitung überlastet, erkennbar an der Frequenz des Besetzttons. Ich schnappe mir den BMW und fahre zur Werkstatt hinüber; derweil brodelt die Kaffeemaschine immer noch ungestört vor sich hin, die aufgeschlagene Tageszeitung langweilt sich und meine Frau ist mittlerweile erwacht vom Türklingeln und der Diskussion. Kurze Erklärung, dann bin ich weg. Vor der Werkstatt erwartet mich deren Chef und wedelt mit meinem Passat-Schlüssel. »Was ist denn los, gerade war die Polizei hier und …«
     Was los ist, will nun eher ich wissen.
     »Ja, ich habe Ihnen den Wagen gestern gebracht, habe geklingelt, aber keiner hat aufgemacht. Da dachte ich, Sie sind vielleicht verreist, und habe das Auto so hingestellt.« Vom Halteverbot hat er nix gesehen. Später entsinnt sich meine Frau (wir sind beide Nachtarbeiter und Tagschläfer), gestern irgendwann im Halbschlaf die Türklingel gehört zu haben, aber normalerweise wird bei uns niemandem aufgemacht, der sich nicht vorher angemeldet hat – das schützt vor Vorwerk-Vertretern und Zeugen Jehovas. Bullizisten sind die regelbestätigende Ausnahme.
     Jedenfalls ist das Auto fertig. »Was kostet es?« – »Geben Sie mir zwanzig Mark.«
     »HÄÄÄÄH?????«
     Okay, Verzeihung, hätte natürlich heißen sollen: »Bitte entschuldigen Sie, aber ich habe Sie akustisch nicht verstanden. Würden Sie bitte so freundlich sein, das Gesagte noch einmal zu wiederholen?« Aber weil ich so ungeduldig wie verblüfft bin, schaffe ich nur ein marginales »HÄÄÄÄH?????« Man mag es mir nachsehen.
     »Fahrlicht rechts, Blinker links. Alles andere war in Ordnung. Auto ist fertig.«
     Ich auch. Drücke ihm eine grünpapierene Anette von Droste-Hülshoff in die Hand – den Schlüssel hat er mir schon gleich zu Anfang des Gesprächs gegeben – und fahre heim.
     Fahre den Passat von der Straße auf den Parkplatz hinterm Haus.
     Schaue ihn mir endlich in Ruhe genauer an – den Passat, nicht den Parkplatz.


3. Kapitel

Ich bin mit dem Passat wieder vorm Werkstattor. Erinnern wir uns an den Reparaturauftrag im ersten Kapitel. Der Chef strahlt mich an, wobei er etwas mißtrauisch scheint, da ich mit dem Passat da bin und nicht mit einem anderen Auto. Ein paar andere Leute stehen auch noch da unnütz herum. Hilft alles nix, da muß er jetzt durch.
     »Ich bin mit Ihrer Arbeit unzufrieden«, stelle ich fest. Das Schloß an der Beifahrertür läßt sich immer noch nicht öffnen. Der Heckscheibenwischer funktioniert immer noch nicht. Das Radio funktioniert nicht mehr. Die dritte Bremsleuchte ist nicht montiert – und verschwunden! Und was ebenfalls verschwunden ist: das gelbe Drehlicht, das ich grundsätzlich in jedem Auto im Fußraum vorm Fahrersitz bereitliegen habe. So 'ne Kojak-Leuchte mit Magnethaftung, in vom Gesetzgeber erlaubten Gelb, mit Spiralkabel für den Zigarettenanzünder. Ist recht nützlich bei Pannen oder Abschleppvorgängen, speziell wenn dann zur Richtungsanzeige der Warnblinker vorübergehend dem normalen Blinker weichen muß, und überhaupt – auf die Warnblinkanlage reagiert doch eh kein Schwein mehr, weil jeder Golf-, BMW-3er- oder 190er-Fahrer die einschaltet, wenn er im absoluten Halteverbot oder in zweiter oder dritter Reihe vorm Zigarettenautomaten einparkt und dann gleich auch noch für 'ne Stunde im Supermarkt einkaufen geht. Wie auch immer, das Drehlicht ist weg.
     Aber keiner in der Werkstatt hat was gesehen.
     Da wäre kein Drehlicht nirgendwo nicht gewesen, und der Wagen wäre auch immer abgeschlossen gewesen, wenn er draußen stand, und vor ein paar Wochen hättense zwar 'nen draußen stehenden Wagen geknackt und ausgeräumt, aber das war lange vorher, und der Passat zeigt auch keine Einbruchspuren, und vielleicht hätte ich ja das Drehlicht selbst vorher 'rausgenommen und …
     Hätte ich eben nicht.
     Habe vorsichtshalber sogar vorher noch zu Hause geprüft, ob ich es nicht vielleicht doch 'rausgenommen und selbiges nur vergessen habe; schließlich will ich ja niemanden fälschlich beschuldigen. Aber dann müßte das Ding ja irgendwo bei mir herumliegen, gelle? Liegt aber nicht.
     Immerhin kann der Chef sich an die dritte Bremsleuchte erinnern. Die hat er selbst in der Hand gehabt. Weiß aber nicht, wieso die verschwunden ist, und weiß auch nicht, warum sie nicht eingebaut wurde. Affenartig fix taucht einer seiner Mitarbeiter auf, schraubt an seinem Privat-PKW die dritte Bremsleuchte ab und drückt sie mir in die Hand: »Dann montieren Sie doch die hier. Als Ersatz.« Verdammte Hacke, wenn ich sie selber montieren wollte, hätte ich das ja vorher getan, und das Ding nicht in die Werkstatt gegeben! Natürlich hat keiner die Bremsleuchte oder das Drehlicht geklaut, aber diese Leuchte (nicht mit meiner identisch, wohlgemerkt) wird mir förmlich aufgedrängt, und der Chef verspricht, auch eine neue Drehleuchte zu besorgen. Ich verweise noch einmal auf die anderen nicht behobenen Mängel. »Lassen Sie den Wagen hier, morgen ist er dann fertig.«
     Aha. Nachdem fünf Wochen lang die Reparaturen nicht ausgeführt worden, sind sie morgen erledigt … Okay, ich lasse den Wagen da, lasse mich nach Hause fahren. Diesmal habe ich Zeugen für den Reparaturauftrag – die zuhörenden und sich einmischenden anderen Kunden. (»Wofür brauchen Sie eigentlich so ein Drehlicht?« – »Ich hab' auch so eins, aber in blau …«) Boah-ey, schade, daß die Bullerei nicht hier ist und mithören kann …
     Am Tag darauf ist der Passat natürlich noch nicht fertig. »Mein Mitarbeiter ist heute nicht da, hatte was ganz Dringendes zu erledigen. Aber morgen …«
     Am Tag darauf ist der Passat natürlich noch nicht fertig. »Mein Mitarbeiter muß eben noch ein anderes Auto fertigmachen, in einer Stunde geht er dran.« Das war gegen 16:00 Uhr. Um 20:00 Uhr klingelt es an der Haustür. Der Passat ist fertig. Diesmal nicht für 20 Mark, sondern für zweimal die blaue Clara Schumann. Dafür aber sind die Arbeiten erledigt. Zusätzlich sind die Gummis am Scheibenwischer erneuert worden, »und das Drehlicht besorge ich Ihnen noch. Aber das dauert noch ein paar Tage.«
     Wahrscheinlich wird der Mitarbeiter noch einen Tag freinehmen müssen, um was ganz Dringendes zu erledigen …


Epilog

Das Drehlicht habe ich jetzt. Größer als mein ursprüngliches, und fünfmal so teuer. Mithin hat die Werkstatt an diesem Reparaturauftrag praktisch nix verdient … so mögen wir das …

Copyright © 1999 by Werner K. Giesa



»Wer will fleißige Handwerker sehen –
der darf nicht zu den Südhessen gehen …«

So ähnlich bzw. etwas anders heißt es in dem schönen Kinderlied, das wir zu Olims Zeiten alle noch gesungen haben, als die Welt noch in Ordnung und Helmut Kohl noch kein Bundesdingsbums war. Ich gehe mal in grenzenlosem Optimismus davon aus, daß es tatsächlich noch fleißige Handwerker und Bauarbeiter gibt. Aber die fallen kaum auf im Gedränge, weil bei ihnen ja alles glatt geht.
     Nicht so bei der im folgenden beschriebenen Kolonne.
     Vorauszusetzen ist dabei noch, daß ich ein Mensch bin, der grundsätzlich nachts arbeitet. Da ist das Hirn den ganzen Nachmittag über richtig schön warmgelaufen, und es stört mich auch keiner mehr mit lästigen Anrufen oder ebenso lästigen, aber manchmal notwendigen TV-Programmen (Fußballweltmeisterschaft, »Star Trek«, große Worte unfähiger, aber skandalerfahrener Politiker oder sonstige Belanglosigkeiten), und auch kein prachtvolles Regenwetter kann mich veranlassen, ausgedehnte Spaziergänge zu machen, weil keine griesgrämigen Regenschirmakrobaten mehr unterwegs sind, die ich, das vom Himmel fallende Naß genießend, heiter angrinsen kann. Die Kehrseite der Medaille ist, daß ich dafür morgens in Schlaf falle bis in die Mittagsstunden hinein. Diesen eulen- oder vampirhaften Lebenswandel pflege ich nun schon seit mehr als 20 Jahren, und jeder Versuch, wieder in den Tag-Rhythmus zu kommen, ist bislang gescheitert: ich bin morgens einfach ungenießbar, und was ich tagsüber schreibe, werfe ich abends weg und schreibe es in der Nacht neu, weil's nicht gut war. Und mit dem Schreiben verdiene ich immerhin Brot und Wein für die Familie und zuweilen auch noch ein Stücklein Käse dazu, wenn's gut läuft.
     Wie auch immer: Mitte Februar war es soweit. Die Fassade des aus 18 Eigentumswohnungen bestehenden Hauses war renovierungsbedürftig, und nun begannen fleißige Hände, das Gerüst aufzubauen. Natürlich werden die Trägerrohre nicht vom LKW gehoben, sondern geworfen. Man hat's ja eilig, schon am frühen Morgen, und der Laster steht im Weg und blockiert der Müllabfuhr die Durchfahrmöglichkeit. Macht ja auch nix, sind ohnehin schon alle Anwohner im Frühstau auf dem Weg zur Arbeit.
     Weil man gerade so schön dabei ist, sollen natürlich auch die Balkone einheitlich gestaltet werden und die Fensterbretter und die Haustür und die Treppenhausfenster, und ein ganz mutiger Miteigentümer verlangte gar heftig, aber gottseidank erfolglos, daß auch das Treppengeländer komplett erneuert werden solle, damit alles auch schön edel wirkt (und man beim Neuvermieten der Wohnung die Miete glatt um 100 % anheben kann, denn so ein edles Treppengeländer hebt ja den Wohnwert in den Zimmern ungemein).
     Frisch ans Werk: der Preßlufthammer hämmert und sprengt die alten Fensterbänke ab sowie die Balkonbodenbeläge, damit weiße (!) Fliesen verlegt werden können. Daß ein Balkon gerade ein halbes Jahr zuvor mit neuen Fliesen belegt wurde, stört niemanden – weg damit. Die alten Geländer werden abgerissen, und stände das Gerüst nicht, wären dem freien Fall vom Balkon keine Grenzen gesetzt.
     Natürlich müssen die lautesten Arbeiten frühmorgens stattfinden. Später, wenn ich normalerweise zu erwachen pflege, ruhen die Maschinen, und nur die Wortgewalt ist noch vorhanden. Bis dann um 16 Uhr »Star Trek« beginnt und der Lärm wieder losgeht, so daß man den Fernsehton trotz Maximallautstärke nicht mehr mitbekommt.
     Und damit die Arbeit möglichst schnell vorangeht, sind die vier Jungs natürlich von 7 Uhr morgens bis 7 Uhr abends am löblichen Werke. Der Lastenaufzug quietscht genau vor unserem Schlafzimmerfenster, und der Mann mit der lautesten Brüllstimme – er kann sich nur im Brüllton unterhalten, selbst wenn sein Gesprächspartner unmittelbar neben ihm steht – ist allein fähig, diesen Aufzug zu bedienen. Natürlich von genau unserer Etage aus. In der Folge erwiesen sich höfliche Bitten, zumindest vormittags vor unserem Schlafzimmer nicht gar so laut zu poltern, weil sowohl meine Frau als auch ich Nachtarbeiter sind und zumindest für ein paar Stündchen der Ruhe bedürfen, als wirkungslos. Arbeitsmaterial kann grundsätzlich nicht noch am vorhergehenden Spätnachmittag aufs Gerüst gebracht werden, sondern nur frühmorgens, und frühmorgens kann auch grundsätzlich nur an dieser Seite des Hauses gearbeitet werden, wo unser Schlafzimmer ist.
     Es wird Haftputz aufgetragen, der Außenschalter für Treppenhaus- und Haustürbeleuchtung vorsorglich entfernt bis auf die Drähte, und dabei zwar lautstark Anwesenheit markiert, aber ein Fortschritt der Arbeiten läßt sich nur über die Dauer mehrerer Wochen verfolgen. Nichts gegen Arbeitspausen, aber stundenlang neben dem Gerüst zu stehen und dem Hausmeister beim Mähen der gut 3000 Quadratmeter Rasenfläche um die Häuserblocks zuzuschauen, ist möglicherweise etwas übertrieben. Als ebenso notwendig erachtet wurde es, mit den Kindern der Anwohner ausgiebig zu spielen. Derweil richtet man sich für die zwei oder drei Regenminuten dieses Sommers im Durchgang zum Fahrrad- und Wäschekeller sehr häuslich ein; in der Folge wird der Keller zum Saustall und Depot für Unmengen leerer Flaschen. Nebenher ist die Kellertür nach draußen nicht mehr benutzbar, weil die Stützstreben fürs Gerüst genau mittig davorstehen; wer sein Fahrrad benutzen will, muß es durchs ganze Haus zur vorderen Tür transportieren. A propos Gerüst – einer der Hausbewohner ist Rollstuhlfahrer, mit einem eigenen Rollstuhllift mit Tür nach draußen, damit er unter Umgehung von Treppenstufen direkt ins Freie kann. Schon als das Gerüst aufgebaut wurde, prophezeite ich: »Paß auf, die bauen dem die Tür zu.« Und richtig – sie bauten ihm die Tür zu. Bis sie nachdrücklich aufgefordert wurden, sich etwas anderes einfallen zu lassen. Da ging's plötzlich. Die Behindertenquote im Gerüstbau ist offenbar höher als man meint; es werden Arbeiter ohne Augen und ohne Gehirn beschäftigt. Obgleich ein solcher Lift doch recht ungewöhnlich ist und der markierte und ausgeschilderte Behindertenparkplatz sich unmittelbar daneben befindet, ist von selbst niemand auf die richtige Idee gekommen …
     Zurück zur Fassadensanierung: nach wochenlangem Auftragen der dünnen Haftputzschicht werden Styroporplatten verklebt. Etwa einsfuffzich im Quadrat, 5 cm dick. Nach wie vor mit beachtlicher Lautstärke. Sie werden nicht angepreßt, sondern angeklatscht – man sollte es nicht für möglich halten, auf welche Phonzahl man einen eigentlich relativ leisen Vorgang wie Styroporkleben bringen kann. Die letzten Platten waren noch nicht ganz verarbeitet, als die ersten schon wieder von der Wand fielen – deutsche Wertarbeit.
     Also machen wir Nägel mit Köpfen und nageln die Platten an. Mit Spezialnägeln, die von einer Art Bolzengewehr in Platte und Hauswand geschossen werden. Die Patronen ließen sich mühelos auch in den Waffen meiner kleinen Sammlung verfeuern. Und jede Platte braucht viele dieser Nägel. Also: mehrere Tage lang Wilder Westen oder Miami Vice, Schuß auf Schuß auf Schuß, nur unterbrochen von den Ladegeräuschen und den zahlreichen Pausen, die immer gerade so lange dauern, daß man endlich einschlafen kann, um für die nächste Schußserie wieder geweckt zu werden … wie grundsätzlich bei jeder der durchgeführten Tätigkeiten. Damit nicht genug, wird Gründonnerstagabend als krönender Abschluß vor den Feiertagen mit einem dieser Nägel das witzigerweise außen unter dünnem Originalputz liegende Antennenkabel fürs Kabelfernsehen durchschossen, weshalb am Karfreitag schnellstens ein Techniker kommen muß, um das Kabel zu flicken. Kommt er aber nicht, sondern am Samstag. Und wo ist die Stelle, die geflickt werden muß? Natürlich vor unserer Wohnung … und wieder röhrt die Bohrmaschine im Beton.
     Zwischendurch werden die Balkonfliesen verlegt. Beginnend latürnich an der falschen Seite, dafür aber so strahlend weiß, daß bei hellem Sonnenschein kein Mensch hinsehen kann, ohne schneeblind zu werden. Und mittlerweile hat der Supersommer eingesetzt, es ist immer gleißend hell. Das Balkongeländer kommt, wird lautstark montiert, wobei die Jungs sich fast die Ohren abbrechen, weil sie erst anpacken und dann überlegen, wie man die Fertigteile wohl durch die Gerüststreben bekommt; bei jedem der Balkone denken sie sich eine andere Methode aus. Was noch zu erwähnen wäre – leere Gefäße, z.B. Farb- oder Zementeimer oder auch Billigwerkzeug wie Hammer oder Bohrmaschine läßt man einfach, wenn man's nicht mehr braucht, selbst von der obersten Gerüstetage lässig nach unten fallen. Ob da gerade ein Kollege vorbeischlendert oder die Kinder spielen, spielt dabei keine Rolle. Der Mann am Lastenaufzug gröhlt dabei trotzdem fleißig vor sich hin, als wäre er vollzeitbeschäftigt.
     Einige der Wohnungen besitzen Jalousien, andere nicht. Unsere hat sie nachträglich angebracht und damit außen montiert. Wenn etwas kaputtgeht, ist nur von außen heranzukommen – auf der Innenseite gibt es nur den winzigen Durchbruch für das Zugband. Und um die Kästen zu Reparaturzwecken zu öffnen, muß man die Unterseite nach unten öffnen können. (By the way: Just in dieser Zeit fiel tatsächlich eine Reparatur an, weil die Wohnzimmerfensterjalousie sich nicht mehr hochziehen lassen wollte und Familie Giesa nebst lichthungrigen Blumen mehrere Wochen lang bei Kunstlicht lebte, bis sich endlich mal Handwerker eines freien Termins bequemten und dann zunächst das falsche Ersatzteil bestellten, mit einer Lieferfrist von … na, ratet mal.) Genialerweise wird nun nicht nur die Außenfassade mit dem 5-cm-Styropor verkleidet, sondern auch die Seitenkanten der Fensterausschnitte (wodurch jedes Fenster praktisch 10 cm schmaler wird. Das stört noch niemanden, da sie ohnehin groß genug sind). Zwangsläufig werden damit auch die Jalousienkästen blockiert, weil das Styropor genau unter die Öffnungsflächen greift. (Was bei Reparaturen äußerst störend wirkt. Und außerdem teuer wird, wenn, statt einen Hunderter für die Reparatur hinzulegen, der Putz abgeschlagen und hinterher wieder aufgetragen werden muß, nebst Anstrich) Also mache ich die fleißigen Arbeitsrandalierer höflich auf diesen Mißstand aufmerksam und erkläre auch eingehend den Grund für meine Bitte, zumindest eine Aussparung zu schaffen, die so groß ist, daß man die Kästen ungehindert öffnen kann. »Ja, natürlich, machen wir.« Gemeinsam wird abgesprochen, wie das zu machen sei, daß es auch die Optik der Hausfront nicht stört.
     Die Tage und Wochen vergehen, nichts geschieht. Mittlerweile habe ich ein zweites Mal darauf hingewiesen und tue es ein drittes Mal, jedesmal mit eingehender und einleuchtender Begründung. Inzwischen wird schon der Außenputz aufgetragen, und nichts hat sich am störenden Styropor getan. Erst ein resignierter Anruf beim Vermieter, der daraufhin zornergrimmt die Hausverwaltung informiert, die ihrerseits eine geharnischte Anweisung erteilt, führt dazu, daß seitens der fleißigen Arbeiter vorsichtig angefragt wird, ob denn die Jalousienkästen freigehalten werden sollten und wie das am besten zu bewerkstelligen sei, damit es auch die Optik der Hausfront nicht stört … Man einigt sich ein weiteres Mal auf verdeckte Aussparungen an der Vorderseite, und hinten »reißen wir den Mist ganz weg. Warum haben wir's überhaupt erst angeklebt?« Der erste vernünftige Satz in all den Monaten …
     Schließlich ist auch der Verputz fertig. Schneeweiß. Nirgendwo eine farbliche Absetzung. Sei zu teuer, heißt es, die Farbe in den Putz zu mischen. Daß der von Natur aus grau ist und das Weiß ebenfalls teuer beigemischt werden muß, sieht keiner ein. Aber Proteste helfen schließlich; zumindest die Treppenhausfront und die Balkone werden farblich abgesetzt; jetzt ist der Anblick wesentlich etwas erträglicher. Als nächstes wird an einer Giebelseite der Sockelputz wieder abgemeißelt, natürlich frühmorgens (wann sonst?), weil da etwas falsch gemacht worden ist, eine nachträgliche zusätzliche Zwangsentlüftung für den Heizungskeller muß geschaffen (wann wohl?), wobei fast ein Stromkabel durchtrennt wird, als der gute Mann die Wand aufreißt.
     Geraume Zeit später wird die alte Treppenhausfront weggerissen und neue Haustür nebst neuen Briefkästen und neue Fenster installiert. Wobei die Briefkastenklappen so kantig gestaltet sind, daß man zwar von außen nichts mehr herausfischen kann, aber dickeres Zeugs wie die Tageszeitung (oder die noch wesentlich dickere »Die Zeit«) so unweigerlich wie regelmäßig bei der Zerfetzprobe durchfällt. Die erste Zeitungsseite kannste also schon mal vergessen …
     Zudem wird eine anderthalb Zentimeter hohe Stolperschwelle installiert. Wer den Hausflur putzt, kann nun das Wasser nicht mehr nach draußen ablaufen lassen, sondern hat mit dem Aufnehmen eine sinnvolle Zusatztätigkeit gefunden, abgesehen davon, daß ältere Leute, die die Füße nicht mehr gar so gut heben können, mit der Schuhspitze vor die Kante knallen.
     Wiederum Wochen später werden auch am neu verfensterten Treppenhaus die Styroporplatten angeschossen und alles verputzt und so weiter.
     Schließlich, in der zweiten Augusthälfte, ist man annähernd fertig und beginnt das Gerüst abzubauen. Das dauert sage und schreibe geschlagene drei Wochen …!
     Den Außenschalter für die Haustürbeleuchtung haben wir seit heute, 18. Oktober, endlich wieder, womit die Sanierungsarbeiten tatsächlich schon nach nur acht Monaten abgeschlossen sind.
     Nebenbei sorgte der permanente, oropaxignorierende Lärm der ersten Monate für ebenso permanente Schlaflosigkeit und Konzentrationsunfähigkeit, so daß ich nicht nur gewaltig in Arbeitsrückstand geriet und meine Manuskripte mittlerweile erst nach dem Satztermin an den Verlag schicken kann, sondern auch für Ebbe in der Kasse, weil die Skripte nur bei Ablieferung bezahlt werden. Somit ein Verdienstausfall von mittlerweile summierten ca. 8000 Huhn zuzüglich Mehrwertsteuer. Und die müssen erstmal wieder hereingearbeitet werden. Einklagbar ist die Summe bedauerlicherweise nicht. Nur schön, daß die fleißigen Arbeiter ihren festen Monatslohn sicher in der Tasche haben.
     Ich habe mir mal den Spaß gemacht, ihre Durchschnittsarbeitsleistung auszurechnen, unter sehr großzügiger Kalkulation der Pausen zu ihren Gunsten: ein (!) Quadratmeter pro Mann pro Stunde.
     Fleißig, wirklich fleißig, die Leute. Oder sollte jemand anderer Ansicht sein?

Copyright © 1994 by Werner K. Giesa



»Der wilde, wilde Osten«
Abenteuer eines notorischen Besser-Wessi in »West-Polen«

»All dieses weite Land gehörte einst den roten Brüdern des Häuptlings Erich Honecker. Aber bald schon zogen die Siedler zu Tausenden gen Westen …«

Vorab sei gesagt: was die »fünf neuen Bundesländer« angeht, hatte ich früher erhebliche Vorurteile. Ich war der Ansicht, daß die Bewohner der einstigen Deutschen Demokratischen Republik erheblich benachteiligt würden. Sowohl durch geringere Bezahlung bei gleicher Leistung wie im Westen, als auch dadurch, daß ihnen von Anfang an, sprich direkt nach ihrer Kapitulation vor westlichem Kommerz & Kapital(ismus) »Ratgeber« aus dem Westen vor die Nase gesetzt wurden. Sowohl bei Behörden, die vor der deutschen Wiedervereinigung im Osten wesentlich effizienter funktionierten als im Westen (im Westen wirst du als »Antragsteller« von Büro zu Büro zu Büro zu Büro geschickt, in der DDR wurdest du zeitsparend gleich zu Anfang verhaftet und hingerichtet), als auch in der Wirtschaft (während im Osten aus einem Fünfjahresplan der Theorie ein Fünzigjahresplan der Praxis wurde, wird im Westen eine Firma aufgebaut und gleich vernichtet; während im Osten die Arbeitsplätze subventioniert wurden, werden es im Westen die Arbeitslosen). Und überhaupt, mir stank es gewaltig, daß wir superschlauen Wessis grundsätzlich alles, inkl. Subventionsbetrug, besser können als die saudämlichen Ossis.
     Diese Vorurteile habe ich ad acta gelegt.
     Statt dessen habe ich ein neues Vorurteil entwickelt: Die saublöden Ossis brauchen tatsächlich -zigtausende schlauer Wessis, die ihnen zeigen, wo es langgeht und wie man etwas richtig macht.
     Und ich fordere, daß der »Solidaritäts«-Zuschlag, diese »Aufschwung-Ost«-Zwangsbesteuerung, sofort abgeschafft wird. Oder, daß wenigstens kein einziger Tausendstelpfennig mehr in den Straßenbau fließt, ohne von Leuten mit Intelligenz (also auf keinen Fall von Ost- oder West-Beamten und -Politikern) kontrolliert und genehmigt worden zu sein.
     Angefangen hat es damit, daß wir mit einer befreundeten Familie ein paar Tage Urlaub in einem Ferienhäuschen in – wie hieß das Kuhdörflein mit der Kneipe, der Kirche, den vier Häusern und fünf Spitzbuben noch gleich? Berggießhübel? – zubringen und die Karl May-Spiele in Rathen besuchen wollten (wie jeder halbwegs gebildete Mensch weiß, wurde May in Ernstthal geboren, lebte später in Radebeul, und die Freilichtbühne Rathen führt unter anderem Stücke nach seinen Büchern auf). Also reisten wir leichtsinnigerweise aus Deutschland in die Ostzone, gen Dresden, um welches herum sich jenes und ein paar andere Dörflein aufreihen.
     Per Autobahn mag das ja alles noch angehen – auch wenn eine Baustelle der anderen folgt und es absolut nicht einsichtig ist, daß ein Großteil dieser Staustellen nur mit Tempo 60 durchfahren werden darf, so daß ein sich ans Limit haltender Bert Stranger permanent von drängelnden Golfs, 190er Zwergendaimlerchen und 3er-BMWs sowie lästigen Kleinlastern belästigt und überholt wird.
     Aber es soll ja auch Leute geben, die dem Feiertags- und Urlaubsstau auf der Stautobahn weiträumig entgehen möchten und deshalb Landstraßen benutzen.
     Im Westen und auch in allen mir bekannten anderen Ländern funktioniert das bestens.
     In der Ostzone latürnich nicht.
     Freilich: es gibt Straßen (oder was man in Neufünfland so Straßen nennt, aber damit kann man auf alle Fälle leben). Freilich: es gibt Kartenwerk, erstklassiges mittlerweile sogar, in dem praktisch jede Hundehütte und jeder Hühnerstall eingezeichnet ist einschließlich der Schleichpfade für Füchse, die Hundehütten umgehen und Hühnerställe besuchen wollen (auch damit kann man, sogar sehr gut, leben). Freilich: es gibt jede Menge Baustellen und Umleitungen (damit könnte man theoretisch ebenfalls leben, aber …). Freilich: es gibt keine vernünftige Beschilderung (und damit kann man nicht leben, aber gern zum Maschinengewehr greifen und in Kreisverwaltungen und/oder Landratsämtern sämtliche Verantwortlichen in handliche Fetzchen schießen oder ihnen mit rostigen Laubsägen ganz langsam und genüßlich die Köpfe und Wichtigeres amputieren, damit sie nicht noch mehr Unheil anrichten).
     Schmale, kurvenreiche Straßen mit vielen Schlaglöchern stören mich nicht. Die kenne ich noch aus meiner Kindheit, mag sie sogar des Erinnerungswertes wegen. Daß es in »West-Polen« mehr Schlaglöcher als Straßendecke gibt und mehr als Tempo 30 das Fahrzeug zerstören kann, okay, das ist zwar ärgerlich, aber erstens fährt man denn eben langsamer, und zweitens gibt es ja auch größere Durchgangsstraßen, sogenannte Bundesstraßen, die den Fahrer von einem Ort zum anderen bringen können.
     Angeblich.
     In der Praxis ist grundsätzlich die Straße, die man benutzen muß, gesperrt: Baustelle. Interessanterweise findet die Totalsperrung meist kurz vor Erreichen des Zieles statt, ohne Vorwarnung an der vorherigen Kreuzung. Und wenn es eine Vorwarnung gibt, dann ist die »normale« Wegbeschilderung irreführend; wer nach Norden will, wird generell erst mal nach Süden geführt und umgekehrt; natürlich gibt es danach auch keine weiterführende Ausschilderung mehr. Wegweiser stehen nie da, wo man sie sich erhofft; wenn man die Kreuzung erreicht hat, sieht man selbige erst, wenn man schon längst dran vorbei ist und sich wundert, wo denn nun eigentlich die Abzweigung gewesen sein soll … und von der Vollsperrung nach Baustelle geht's natürlich erst mal wieder zurück zur letzten, kilometerweit entfernten Kreuzung, an der natürlich entweder keine Hinweisschilder stehen oder die einzige Richtung zum Ziel eben ausschließlich in die am Ende gesperrte Straße führt; Umleitungsschilder, wenn es sie tatsächlich mal gibt, führen lediglich in die nächste Umleitung und diese wiederum in die übernächste. Schließlich ist man mindestens 15 km vom ursprünglich zum Greifen nahe gelegenen Etappenziel entfernt – und zwar in der entgegengesetzten Richtung. Aber immerhin ist man der offiziellen Ausschilderung gefolgt …
     Interessant auch die Baustellen: es gibt sie vorwiegend an Straßen, die ohnehin noch in Ordnung sind. Die Umleitungsstrecken hätten eine Erneuerung wesentlich nötiger. Kein Wunder, daß die Wirtschaft im Osten nicht funktioniert: der Zulieferverkehr, über solche Straßen geführt, kommt ja nie pünktlich mit dem nötigen Material an der Fabrik an! Denn selbst da, wo die baustellige Straße nicht voll gesperrt wird, sondern der Verkehr einspurig per Ampel gelenkt wird, dauert die Rotphase mindestens so viele Minuten, wie die Baustelle in Metern lang ist.
     Wo es ausnahmsweise keine dieser teilweise überflüssigen Baustellen gibt, funktioniert die Wegführung ebenfalls nicht. Es gibt praktisch keine überörtliche Wegweisung, und die wenigen Straßenschilderchen, die existieren, weisen oft die falsche Richtung. Resultat: siehe vorletzten Absatz.
     Es wäre sicher vonnöten, die Unsummen an Geld, die in die Erneuerung von durchaus noch befahrbaren Straßen sinnlos verpulvert werden, in eine vernunftorientierte Beschilderung zu stecken. Schließlich möchte man ja auch vom Tourismus leben.
     Aber nicht einmal in einer doch schon recht ansehnlichen Stadt wie Dresden gibt es eine auch nur annähernd brauchbare Wegweisung, es sei denn, man will nur ins unmittelbare, ohnehin längst eingemeindete Nachbardörflein. Offenbar hat noch niemand begriffen, daß die Zeiten Walter Ulbrichts und Erich Honeckers vorbei sind, in denen DDR-Karten absichtlich verfälscht wurden, damit westliche Ausländer, die sich danach richteten, in die Irre geführt wurden …
     Fazit: Gebt den Ossis keinen halben Pfennig mehr für Straßenbau. Der findet eh nur statt, wo er überflüssig ist. Gebt ihnen lieber Geld, damit sie Blech, Farbe und Pinsel beschaffen und Verkehrsschilder malen können – und laßt das von Leuten aus dem Westen überwachen, die etwas davon verstehen. (Also nicht von Verkehrsexperten aus Frankfurt/Main oder Lippstadt/Westf., denn bei denen müssen sie sich diesen hirnrissigen Ober-Schwachsinn abgeguckt haben – laßt lieber Experten aus Rom oder Neapel 'ran, die verstehen ihr Geschäft wenigstens!).
     Immerhin: um eine Strecke von knapp 35 Kilometern zurückzulegen, benötigten wir weit mehr als 1,5 Stunden! Auf westlichen Land- und Dorfstraßen geht das in 20-30 Minuten, je nach Verkehrsaufkommen, Traktoren und LKWs! Nur in Afrikas und Südamerikas Dschungel-Regionen oder der tibetischen und österreichischen Bergwelt geht es kaum merklich langsamer voran (oder vielleicht noch mit der Deutschen Bahn). – – –
     Nun gut, es gibt auch Positives zu berichten. Zum Beispiel, daß es hier und da den Grünen Pfeil noch gibt, und das pfiffige Fußgänger-Ampelmännchen (sehr hurtig ausschreitend, mit Hut!), oder daß noch uralte Schilder existieren, wie ich sie bei uns als Vierjähriger zuletzt gesehen habe. Oder die Autobahnraststätte Eisenach, die eine Menge Lob verdient. Oder das Dorf, in dem sich mitten drin an der Hauptstraße ein FKK-Bagger-Badesee nebst Insel befindet und sich die hübschen Nackedeis direkt am Straßenrand tummeln (auch 'ne Art von Verkehrsberuhigung: alle fahren gaaaaanz laaaangsaaaam vorbei, um ausgiebig gucken zu können). Und der Besuch der Freilichtbühne Rathen hat sich ebenfalls gelohnt; sie ist klein, aber (mittlerweile) fein, und den Akteuren merkt man an, daß das Spielen ihnen einen Mordsspaß bereitet. Im Vergleich mit westdeutschen Bühnen schneidet Rathen mehr als nur sehr gut ab; auch das Drumherum ist gut durchorganisiert und klappt prima.
     Nur eben der Straßenverkehr(t) …
     Diesbezüglich ist in den nächsten fünfzehn Jahren von einem Besuch der Ex-DDR grundsätzlich abzuraten. Danach existieren vielleicht endlich brauchbare Verkehrswege und brauchbare Ausschilderung. Vielleicht …
     Aber bis dahin kann sich dank Steuererhöhungen ohnehin niemand mehr ein Auto leisten. Womit sich das Problem von selbst erledigt. Allerdings auch nicht das Benutzen der öffentlichen Verkehrsmittel – die Bahn ist ja heute schon unakzeptabel überteuert und wird garantiert nicht preiswerter.
     Bei der nächsten Reise nach Ossi-Land nehme ich also wohl nicht das Auto, sondern den Hubschrauber. Denn Luftstraßen lassen sich nicht ganz so einfach durcheinanderbringen.
     Hoffentlich …!!

Copyright © 1996 by Werner K. Giesa

Ziemlich genau 9 Jahre nach dem Schreiben dieses Textes, also im Sommer 2005, erhielt ich eine nachdenkenswerte Reaktion von Jeanette Knoefel, die ich niemandem vorenthalten mag:
Hallo,
     ich weiß nicht, welchen Datums Ihr Bericht über die verdammungswürdigen "Oststrassen" ist :-)
     Er ist recht zum Schmunzeln ...aber inzwischen doch etwas veraltet.
     Ich darf Sie also durchaus ermutigen, sich wieder einmal in die Höhle des Löwen zu wagen, Ihre ureigensten männlichen Orientierungskräfte zu bemühen, die Lesebrille aufzusetzen (anders kann ich mir Ihren Mangel an Ausschilderungen nicht erklären) und freie Spur auf einer wunderbaren neuen Autobahn das Sächsische Ländchen zu erkunden.
     Wir stellen hier immer wieder fest, dass Großstädter auf 2 km Landstraße ohne Ampelführung und Zusatzbeschilderung zum wild umherirrenden, verzweifelt guckenden, hoffnungslos überforderten Autofahrer mutieren.
     Hier möchten wir Eingeborenen gern Hilfe leisten:
     Da wir unser Budget, in mehr als 40 Stunden Wochen, inzwischen etwas aufstocken konnten, uns den Müßiggang eines elektrischen Fensterhebers leisten konnten, geben wir bei gelegentlichen Ampelstopps nur zu gern Auskunft. Auch vergrößern wir unsere Sicherheitsabstände, um kurzentschlossenen Linksabbiegern nicht durch Auffahrunfälle den Urlaub zu stören. Durch unentwegtes Fahrtraining, Rühren in Kaffeesatz und Übung in Gedankenübertragung legen wir auch keinen allzu großen Wert mehr auf Lichtsignale, sprich Blinkzeichen.
     Nur habe ich noch ein grundlegendes Problem herausgelesen:
     Mir fehlt der logische Zusammenhang, zum einen auf die schlechten Straßen zu schimpfen und sich im nächsten Moment über Straßenbaustellen zu mokieren.
     Ich denke, weder Bayern, Nordlichter oder Italiener oder was sonst noch immer, bekommen ihre Straßen allein in Nachtarbeit saniert. Dies sollte also nicht als allein regionales Problem dargestellt werden. Ich kann mich an üble Autobahnstaus im Ruhrgebiet erinnern, deren Ausmaße für unsere Verhältnisse hier geradezu unvorstellbar waren und sind.
     Im Zweifelfall biete ich auch gern eine geführte Tour durch die Sächsische Schweiz an ... vorbei an Hundehütten, Fuchsbauten und Hühnerställen, auf Eingeborenenpfaden :-)
     Wünsche einen schönen Sommer und allzeit Gute Fahrt :-)
     Die Zahl der Baustellen hat sich übrigens weiter reduziert ... man könnte einen Ausflug riskieren :-)
      Jeannette

Copyright © 2005 by Jeanette Knoefel



Gesunde Ernährung macht krank!

Glaubt man allem, was immer wieder in Presse, Funk und Fernsehen erzählt wird, befinden sich in praktisch allen Nahrungsmitteln irgendwelche kleinen, gemeinen Schadstoffe. Heute wird dies verteufelt, morgen jenes, und was gerade noch als rettender Universalfraß gelobt wird, verursacht morgen schon wieder diese oder jene Krankheit, die ganz bestimmt nach ca. 150 Jahren zum Tode führt, aber das, was gestern noch pures Gift schien, kann man heute durchaus schon wieder essen …
     Aber was ist denn nun »gesunde Ernährung« eigentlich wirklich?
     Stets das, was die Verfasser der diversen Artikel gerade empfehlen. Und die empfehlen ständig etwas, weil jeder die alleinseligmachende Wahrheit für sich gepachtet zu haben glaubt, und vor allem, weil jeder mit seinem Veröffentlichungen die große Kohle absahnen will, ganz abgesehen von Ruhm, Ehre & Nobelpreis. Wenn es dabei wirklich um Gesundheit geht, dann ist allenfalls die Gesundheit des Bankkontos des jeweiligen Verfassers gemeint.
     Tja, aber wie kann man sich denn wirklich noch gesund ernähren? Geht das überhaupt?
     Aber sicher. Indem man schlicht und ergreifend nicht auf jene sich teilweise widersprechenden Verlautbarungen hört und einfach drauflosmampft. Was schmeckt und satt macht, kann auch nicht krank machen.
     Denn krank macht es, sich von selbsternannten Gesundheitsaposteln ständig vorwerfen zu lassen, man sei zu dick oder zu dünn, esse und trinke grundsätzlich das Falsche. Krank macht der Streß des Körnerzählens, des verzweifelten Knabberns an einem matschig gekochten Maiskolben oder zwei schmalen Salatblättchen (sofern die nicht gerade auch mal wieder abzulehnen sind, weil sie vielleicht nahe der Autobahn angebaut und deshalb mit Tonnen von aus Benzin freigesetztem Blei durchzogen sind), des Wälzens von Kalorientabellen, des endlosen Blätterns in Empfehlungen und düster drohenden Warnungen und nicht zuletzt der neiderfüllte Blick auf den wohlgefüllten Teller des Mitmenschen, von dem appetitanregende Düfte aufsteigen, während man selbst sich mit einem zarten Möhrchen aus garantiert biologischem Anbau in der Nachbarschaft der Chemiewerke Höchst oder des umweltfreundlichen, rußwolkenverteilenden Kohlekraftwerks begnügen muß. Und vor lauter verkrampftem Grübeln und Berechnen, wie man sich denn nun am gesündesten ernährt, ob man nicht gar ein Viertelgramm zuviel auf dem Teller hat und ob es auch auf die Zehntelsekunde exakt die richtige Uhrzeit ist, damit der Magen auch richtig gesund verdauen kann – kommt man überhaupt nicht mehr zum Essen und verhungert schlicht und ergreifend, ganz abgesehen davon, daß der aus alledem entstehende Streß auszehrt, zu Kopfschmerzen, Migräne, Hypernervosität und ähnlichen Erscheinungen führt, mit denen wir nicht nur unseren Mitmenschen auf die Nerven fallen (was jene ebenfalls in diese verheerende Entwicklung einbezieht; Streß ist bekanntlich hochgradig ansteckend), sondern die wiederum mit allerlei Medizin kuriert werden müssen.
     Diese Medizin muß entwickelt, im Tierversuch erprobt und in umständlichen und langwierigen Verwaltungsakten freigegeben werden. Bis die ersten Versuchsratten, -meerschweinchen und -katzen krepiert sind, sind auch die erkrankten Gesundernährer längst am Rand des Todes. Die Produktion der Medikamente erzeugt wiederum Schadstoffe, für deren Entsorgung ein weiterer, noch aufwendigerer und teurerer Kreislauf in Gang gesetzt wird, der nach staatlichen Subventionen schreit, worauf zwangsläufig Steuererhöhungen folgen, mit entsprechend neuem Streß für die steuernzahlenden Menschen. Es kommt zu Demonstrationen gegen die Schadstoffbelastung und die Steuererhöhungen, es kommt zu Ausschreitungen und Verhaftungen, die Gerichte werden überlastet, die Polizei ist nur noch damit beschäftigt, Demonstranten niederzuknüppeln und kann sich nicht mehr darum kümmern, deine Wohnung vor dem Einbrecher zu schützen, der dir ausgerechnet das neueste Buch über »gesunde Ernährung« klaut.
     Der volkswirtschaftliche Gesamtschaden, der durch »gesunde Ernährung« entsteht, ist also äußerst enorm.
     Die einzigen, die von »gesunder Ernährung« profitieren, sind die Verfasser der entsprechenden Bücher, Broschüren, Tabellen etc. sowie die Anbieter der meist weit überteuerten »gesunden« Nahrungmittel.
     Fazit: Laden wir uns lieber ein hübsches Steak und eine große Schaufel Pommes frites auf den Teller und genießen, was uns schmeckt, statt uns durch die angeblich so gesunde (und selten wirklich schmackhafte) Diät-, Trenn- und Sonstwaskost krank machen zu lassen. Das magere Salatblättchen und das Möhrchen schmeckt nämlich viel besser, wenn's zuerst mal im Karnickel oder im Mastschwein landete und von selbigem zu Fleisch umgewandelt wurde, das uns der Metzger gern in den Einkaufskorb legt. Und die Körner machen viel mehr Spaß, wenn sie zu Mehl verarbeitet und mit einer nicht zu geringen Anzahl von Eiern (zum Teufel mit den närrischen Warnungen vor dem Cholesterin, die sind nämlich für den Großteil der Esser höchst unangebracht, weil die das locker vertragen) nebst anderen Zutaten zu einem leckeren Kuchen vermengt sind. Und einen kräftigen Schlag Sahne kann man dann auch noch drauftun …
     Essen wir also, was uns schmeckt, haben Spaß dabei, fühlen uns deshalb wohl dabei und leben somit streßfrei, heiterer und länger. Und nebenbei kostet's nur noch ein Zehntel, weil wir uns die ganzen hochglanzbedruckten »Gesund ernähren«-Bücher ersparen; zudem können wir die Zeit, die wir sonst zum Studium derselben vergeuden, auch einen guten Roman lesen, uns mit unserem Partner verlustie … äh, unterhalten – oder einfach einen Verdauungsschlaf bzw. -spaziergang machen. Guten Appetit!

Copyright © 1996 by Werner K. Giesa



»Frohes Fest!«

Anfang April, aber kein Aprilscherz: Luzy V. (Name aus Gründen des Personen- und Datenschutzes geändert), Wohnungsnachbarin und uns freundschaftlich verbunden – wenn wir unterwegs sind, macht sie unseren Briefkasten leer, wenn sie unterwegs ist, gießen wir ihre Blumen –, taucht zum Wochenanfang auf und eröffnet uns, daß sie am gleich kommenden Gründonnerstag aus der Wohnung ausziehen will. Sie verhandelt gerade mit einem Vermieter im Nachbardörflein über eine nette kleine 3-Zimmer-Wohnung, hofft, daß sie die auch bekommt, will aber auf keinen Fall in der Eigentumswohnung bei uns im Haus bleiben, die sie und ihr Göttergatte vor ein paar Jahren gekauft haben und für die laufenden Kredite noch lange nicht getilgt sind.
     Willi V. (Name aus Gründen des Personen- und Datenschutzes geändert), einst bei der Marine und in jedem Bordell von Bangkok bis Shanghai bestens bekannt, heute bei, für oder gegen eine international agierende Firma tätig, war für ein Jahr nach China gegangen, um in der Nähe (na ja, was die Chinesen so als Nähe verstehen; ein paar hundert Kilometer sind's schon und in unmittelbarer Gebiets- und Gebetsnähe der letztjährigen Flutkatastrophe dortselbst) von Shanghai den Chinesen beizubringen, was preussische Disziplin, Ordnungsliebe, Pünktlichkeit und Arbeitseifer sind und nebenher noch ein wenig für besagte Firma eine Filiale aufzubauen. (O-Ton Willi V.: »… den habe ich erst mal so richtig gedemütigt …«)
     Nun wollte man ihn da aber wohl nach Ablauf eines Jahres nicht länger Söhne und Töchter des Reiches der Mitte demütigen lassen; sein Versuch, eine Vertragsverlängerung zu bekommen, scheiterte, was die Firma nun vor das Problem stellt, für ihn in Deutschland wieder einen adäquaten Schreibtisch zu stellen; sein alter Platz war ja neu besetzt worden. Aber das spielt für diese Geschichte keine Rolle.
     Denn uns' Willi kehrt heim.
     Und dies nicht allein. Chinesen-Willi bringt eine Chinesin mit.
     Nicht irgendeine, sondern seine Geliebte.
     Und zwar direkt in die eheliche Wohnung. Telefonisch angekündigt: »Karfreitag kommen wir.« Worauf Luzy spontan beschließt, auszuziehen. Denn daß da was läuft, hat sie schon ein paar Monate vorher mitbekommen; jetzt geht sie davon aus, daß er ihr ohnehin empfehlen wird, die Eigentumswohnung und die Ehegemeinschaft zu verlassen. Sie befragt einen Anwalt und stellt dabei anhand ihrer Unterlagen fest, daß sie für den Wohnungskauf zwar als Mitnutzerin, aber nicht als Miteigentümerin eingetragen ist … das heißt: sie hat zwar jahrelang ihre Hälfte zum Kreditabbau bezahlt, aber ihr gehört nix von der Wohnung …
     Worauf sie nun, nach Beratung mit dem Anwalt, beschließt, logischerweise auch die Zahlungen einzustellen. So daß uns' Willi künftig doppelt so viel löhnen muß als bisher; und Wohnungen im Einzugsgebiet von Frankfurt/Main tragen den Namen Teuer, Vorname Sehr. (Auch, wenn er sich stets damit brüstet, den Vorbesitzer »gewaltig über den Tisch gezogen« zu haben, »denn der hat's verdient, der war ja so blöd zu verkaufen und sogar noch während der Zeitspanne, in der die Spekulationssteuer greift«.)
     Okay, Luzy will also 'raus aus der Bude. Ob wir denn beim Umzug helfen können.
     Können wir. Ich beginne zu telefonieren; die Möbel allein schleppen will ich ja nun auch nicht. Da es ein Donnerstag ist, an dem noch gearbeitet wird, stößt das latürnich auf Probleme. Wer bereit ist zu helfen, kann erst nach Feierabend kommen; erstaunlicherweise gehören die meisten unserer Freunde und Bekannten zum arbeitenden Teil der Bevölkerung, was einem erst in solchen Situationen wirklich auffällt; trotz der hohen Arbeitslosigkeitsrate in diesem, unseren Lande. Ich selbst als mein eigener Chef kann mir die Arbeitszeit ja auch selbst einteilen – arbeite ich heute nicht, arbeite ich zwar morgen doppelt, aber ich kann flexibel agieren.
     Das ist es, was ich an meinem Beruf trotz der niedrigen Honorare so liebe – die absolute Freiheit. Ich muß zwar Termine einhalten, aber wie ich das arrangiere, ist meine Sache.
     Nun gut, ich habe noch jede Menge Kartons auf dem Dachboden stehen, von der technischen Büroausrüstung, oder fürs Altpapier gehortet. Der Wäschekorb meiner Frau, die Einkaufsklappkisten – alles stelle ich Luzy vor die Tür. Damit sie schon mal anfangen kann einzupacken – bei aller Nächstenliebe und Nachbarschaftshilfe sollte das zumindest am Donnerstag erledigt sein. »Hast du denn überhaupt schon einen ElKaWatsch, oder müssen wir alles mit dem Passat-Kombi nebst Dachgepäckträger fahren?« In ihren Kleinstwagen paßt ja nix 'rein. Der ist schon voll, wenn ich nur einen Blick hinein werfe. Ja, um den LKW kümmert sie sich. Ich warne vor: »Monatsende beziehungsweise Anfang und dazu Quartalswechsel. Da ziehen alle um. So kurzfristig kriegst du wahrscheinlich eher ein Kind als einen Miet-LKW.«
     Mittwoch taucht Luzy wieder auf: »Erstens: Willi und die Chinesin kommen doch noch nicht am Freitag, sondern erst am Sonntag. Zweitens: Ich hab's mir überlegt, ich ziehe doch nicht aus. Ich kämpfe das jetzt durch.«
     Na klasse. Paßt mir sehr gut, weil ich noch einen Roman zuendezuschreiben habe und im Terminverzug bin. Den muß ich Donnerstag per Datenübertragung zum Verlag schicken. Das heißt, die Nacht durcharbeiten, morgens zwischen acht und neun senden, und mit schlafen ist dann nix mehr, sondern es beginnt der Umzug – jetzt aber eben nicht. Danke, Luzy! Bloß darf ich mich jetzt bei den schon alarmierten Helfern blamieren, indem ich alles wieder absage.
     Karfreitag: Luzy steht vor der Tür. »Haltet mich für verrückt, aber ich ziehe doch aus.«
     Ich sage ihr: »Du bist tatsächlich verrückt!« Sie hat ein paar schlaflose Nächte hinter sich, hat hin und her überlegt. Und sich dann doch für den Auszug entschieden. Der soll nun am Samstag stattfinden, muß am Samstag stattfinden, dieweil der Chinesendompteur und seine Mätresse sich ja nun definitiv für Sonntag angekündigt haben. »Und er klang am Telefon so, als sei er schon in Deutschland; das typische Satellitenknacken in der Verbindung fehlte.«
     Hostia madonna e porco dio! Ich rufe wieder meine  Sklaven  freibierwilligen Helfer an. Tja, so auf die Schnelle können wir nicht, weil dies und jenes … Klar! Wer kann schon von heute auf morgen sein komplettes Osterwochenende umschmeißen und herbeiflitzen, nur weil Luzy V. so sprunghaft in ihren Entscheidungen ist? Weiber, pah! Immerhin kann sie einen weiteren Helfer rekrutieren: Heinz W. (Name aus Gründen des Personen- und Datenschutzes geändert), wohnhaft Luzy gegenüber in der gleichen Etage, irgendwas verwaltendcomputerisches von Beruf und zum Geldverdienen Musiker. Gerade 60 geworden, aber recht agil. »War letzten Winter in Österreich zum Schilaufen. Hab eine Frau kennengelernt, die ist irre scharf auf mich, die will …« Ersparen wir uns die Details aus Heinzens ereignisschwerem Liebesleben, denn das ist für diese Geschichte auch nicht von Bedeutung.
      Einen LKW hat sie, ist ja nur Osterwochenende, da fährt keiner Laster, da sind eher die PKWs weg. Der Monats- und Quartalswechsel ist ja Schnee von gestern. Nur ist der LKW noch nicht da; die Sixt-Vertretung wartet selbst. Die neue Wohnung im Nachbardorf ist noch nicht mal geräumt; der Typ, der sie bis jetzt zerwohnt hat, hat trotz Räumungsaufforderung seine Chiquita-Kisten noch drin stehen. Der Vermieter stellt zur Zwischenlagerung von Luzys Mobiliar seine Garage zur Verfügung. Luzy fährt noch mal hin, um letzte Kleinigkeiten zu regeln; derweil warten wir auf den Anruf, daß der LKW bereit steht.
     In der Zwischenzeit bauen Heinz und ich den Schlafzimmerschrank auseinander. Ein Monstrum mit schweren Einzelteilen, zusammengebaut nach einem System, das keiner von uns versteht. Eigentlich hätte Luzy gern das komplette Schlafzimmer mitgenommen. Dieweil sie es gekauft hat, von ihrer Abfindung nach einer Kündigung. Aber der komplette Überbau nebst Doppelbett paßt in die neue Wohnung nicht 'rein; was sie mitnehmen kann, ist der Kleiderschrank. Und ihr Bett aus ihrem eigenen Zimmer (man schlief bereits seit Ewigkeiten grundsätzlich getrennt und lediglich zu diversen Paarungsübungen gemeinsam im ehelichen Zimmer). So betrüblich es auch für Luzy ist, den Überbauschrank und die Betten zurücklassen zu müssen – ich bin heilfroh, daß wir nicht das gesamte Zimmer zerlegen müssen. Allein der verdammte Schrank hält uns weit über eine Stunde auf, und ich bin nicht mal sicher, daß wir den später wieder richtig zusammenbauen können. Was im Schrank war, fliegt unordentlich aufs Bett und türmt sich dort zu einem kleinen Gebirge (der Schrank ist wirklich voluminös, paßt unglaublich viel 'rein – Willis Anzüge, Sakkos und Hosen, praktisch für jeden Tag des Jahres ein komplettes Outfit, alles in Thailand für ein paar Mark maßgeschneidert und durch den Zoll geschmuggelt).
     The bell rings; der LKW ist da. Heinz und ich fahren mit dem Passat los, ihn abzuholen. Heinz will sich dem Laster widmen, muß aber am Nachmittag wieder weg, weil er am Abend arbeiten, sprich Musik machen und Geld verdienen muß. Zwei Fahrer eintragen geht nicht, also lege ich meinen Führerschein von anno '72 vor, noch den alten, inzwischen längst klebrigen grauen Riesenlappen mit dem Foto aus Pennälerzeiten, auf dem mich heute garantiert niemand mehr erkennt. Ich werde als Fahrer vermerkt, Heinz setzt sich ans Lenkrad. Wenn der jetzt den Elchtest versaut, kriegen sie mich am Arsch. Er prescht mit dem Truck los, ich hinterher. Vorm Haus habe ich den BMW geparkt, als Platzhalter, damit kein Krawallo-Teeny die Rangierfläche mit seinem Scheißgölfchen blockiert. Ich fahre den BMW beiseite, Heinz rangiert den LKW, ich parke den BMW wieder in den Rangierraum, sehr zum Ärger eines Krawallo-Teenies, der gerade hoffte, sein Scheißgölfchen da hin stellen zu können. Heinz staunt Bauklötze; wir wohnen seit acht Jahren im gleichen Haus, und er hat immer noch nicht mitgekriegt, daß ich in Altenstadt zwei Autos habe. »Du mußt ja 'ne Menge Geld verdienen …« Wieso ich? Er hat doch bis vor ein paar Wochen auch zwei Fahrzeuge gehabt; 'nen VW-Bulli für die Musik und 'nen Reiskocher für alles andere, hat jetzt beides in Zahlung gegeben und 'nen VW-Van gekauft. Ich setz' noch eins drauf und prahle ihm vor, daß in Lippstadt noch ein Drittwagen steht.
     Jetzt geht's los. Wir schleppen den ganzen Kladderadatsch treppab und in den LKW. Zwischendurch rekrutiert Heinz einen weiteren Helfer, den er einfach von der Straße fischt. Die zwei nehmen Luzys Klappbett auseinander, dieweil das komplett untransportabel ist. Noch ein paar lose Schrauben mehr in der Hand.
     Mobiliar, Klamotten, jede Menge Blumen in Blumentöpfen … allein der Dschungel nimmt den halben LKW ein. Wir müssen zweimal fahren. Laden in die Garage um. Der Vermieter erweist sich als mitanpackend, sympathisch und kommunikativ; als der LKW leer ist, kommt er mit einem Armvoll Jever-Pils an. Wir prosten uns zu. Heinz erzählt ihm, daß er in Zeitdruck ist, weil er als Musiker heute abend beim  Häßlichen  Hessischen Rundfunk … und daß ich Schriftsteller sei … »Was schreiben Sie denn?« – »Mystery, Fantasy, Science Fiction.« Ich lasse einfließen, daß es in Altenstadt und Umgebung zwei solcher Schriftsteller gibt – Jürgen Grasmück alias Dan Shocker und mich alias Robert Lamont. »Den Grasmück kenne ich, das ist doch der im Rollstuhl …« Und der hat mich wegen Freundschaft und kollegialer Zusammenarbeit vor 14 Jahren erst nach hier gelockt … Na ja, die Welt ist klein!
     Wir fahren zurück. Meine Frau hat Essen vorbereitet, aber Heinz seilt sich jetzt ab; er will noch unter die Dusche und muß dann los, zum HR.
     Etwas später taucht Anja (Name aus Gründen des Personen- und Datenschutzes geändert) auf, um noch beim Umzug zu helfen. Hübsch, blond und viel zu elegant für die Arbeit gewandet; Luzys Arbeitskollegin und Freundin, bei der Luzy nächtigen wird, solange die neue Wohnung nicht frei ist. Anja hat selbst eine gescheiterte Ehe hinter sich und entsprechend viele böse Ideen, dem treulosen Gatterich und seiner Gespielin noch eins auszuwischen. Dagegen sind meine Überlegungen und die meiner Frau noch harmlos: das Telefon mitzunehmen (Willi hat ja ein Handy, nur telefoniert er damit ja teurer als im Festnetz), das Toilettenpapier mitzunehmen und nur eine angebrauchte Rolle mit zehn, fünfzehn Blatt übrigzulassen – wohlgemerkt: es ist Ostersamstagnachmittag! Oder einen Fisch hinter der Heizung oder hinter dem Überbau des Schlafzimmerbetts zu versenken – das verwesend vor sich hin stinkende Getier aufzuspüren und zu entfernen, bedürfte es dann des Abbaus der gesamten Technik. Was ohnehin schon ausgebaut und zur neuen Wohnung überführt wurde, waren Herd und Waschmaschine. Toaster und Kaffeemaschine gehen auch mit. Dazu die Bettwäsche – gehört nämlich auch alles Luzy, von ihrem Geld angeschafft. Na ja, eben eine halbe Wohnungseinrichtung geht auf Reise.
     Beim zweiten Mal fahre ich den Truck. Luzys Umzug hat auch sein Gutes: Seit Jahren habe ich endlich mal wieder so eine Maschine unterm Hintern. Nix verlernt, fährt sich überraschend einfach, läßt sich leichter rangieren als befürchtet und ich fühle mich mal wieder wie der Trucker-King persönlich. Schmunzelnde Bemerkung zwischendurch, die auch nichts mit dieser Geschichte zu tun hat: zehn Jahre lang gab's beim Bastei-Verlag eine Heftromanserie mit dem Titel »Trucker-King«; Fernfahrerabenteuer auf amerikanischen Highways. Von den sieben oder acht Autoren, als deren einziger ich von Anfang bis Ende der Serie dabei war, war ich wahrscheinlich der einzige, der so einen Ami-Truck mal aus der Fahrerperspektive übers Lenkrad hinweg gesehen hat … entsprechend lustig wie falsch waren die Beschreibungen der Kollegen … einer wußte nicht mal, daß ein LKW-Dieselmotor Glühkerzen hat und schrieb was von Zündkerzen … gut, lassen wir das jetzt. Ist 'ne ganz andere Geschichte.
     Später stelle ich den Wagen wieder beim Vermieter ab. Luzy fährt mich heim. Tags drauf ist sie mit Anja noch mal hier, letzte Kleinigkeiten abholen, ehe Willi eintrifft. Anja hat eine Tüte mitgebracht, vom letzten Weihnachtsmarkt, mit der güldenen Aufschrift »Frohes Fest«. Die hängt sie im Korridor auf, wo einst eine jetzt von Luzy mitgenommene Lampe hing, und stellt Willis Hausschuhe darunter. Verfaulte Ostereier sind leider nicht greifbar.
     Willi und die Chinesin, die ein Visum für drei Monate und ein schulpflichtiges Kind hat, das sie als alleinerziehende Mutter in Shanghai zurückließ, tauchen am Abend auf, ein paar Stunden später als angekündigt. Wir haben Besuch; ein befreundeter redaktioneller Mitarbeiter nebst Family ist hier. Nach etwa einer Stunde klingelt Chinesen-Willi an, steht schweißüberströmt vor der Tür: »Wo der Blitz so einschlägt … Ich weiß nicht, was Luzy euch erzählt hat … auf jeden Fall ist sie wohl ausgezogen …«
     Welche Überraschung aber auch! Nur, was soll sie uns erzählt haben?
     »Könnt ihr uns bis Dienstag ein Kopfkissen und einen Bettbezug leihen?«
     Können wir.
     Immerhin: Um Toilettenpapier bittet er nicht.
     Ein paar Tage später meldet Luzy sich wieder: Nächstes Wochenende will sie in der neuen Wohnung einziehen. Die hat der Vormieter endlich geräumt. Und Luzy hat jetzt auch endlich ihren Mietvertrag …
     Diesmal kann ich ein paar Helfer alarmieren. Die können aber auch wieder erst am Nachmittag kommen. Trotzdem sind wir vormittags nicht allein; Luzy hat noch zwei Jungs aus der Nachbarschaft aufgegabelt. Denen überlasse ich die schweren Brocken. Meine chronische Bronchitis hat sich nämlich wieder mal zu Wort gemeldet, und jede größere körperliche Anstrengung wird mit mörderischen Hustenanfällen quittiert. Die Jungs sehen das recht locker und haben Verständnis; immerhin mache ich ja auch meine Arbeit und baue mit einem von ihnen unter anderem den Schlafzimmerkleiderschrank wieder auf. Ich bin überrascht: wir kriegen das Monstrum tatsächlich wieder originalgetreu hin.
     Und es geht alles schneller als gedacht. Als die von mir alarmierten Helfer eintreffen, sind wir bereits fertig, und sie können gleich wieder heimfahren. Böse darüber sind sie nicht, bloß ich komme mir inzwischen vor wie der letzte Trottel – mehrmals die Leute wild gemacht, und jedesmal für die Katz …
     Nur Luzy hat ein Problem. In der alten Wohnung gab's Kabelanschluß. In der neuen geht alles per Satellitenschüssel. Nur hat sie dafür keinen Receiver und muß den am Samstagnachmittag kurz vor Ladenschluß erst noch beschaffen. Denn sie muß ja unbedingt ihre TV-Berieselung haben; egal welches Programm: irgendwas muß immer laufen, selbst wenn frau nicht hinguckt. Einzig für »Akte X« interessiert sie sich wirklich und läßt keine Folge aus, egal in wievielter Widerholung.
     Sie kauft also einen Receiver – und kann, wie sich später herausstellt, doch nicht fernsehen, weil der Händler so abstrus hyperintelligent war, ihr ein falsches Kabel mitzugeben!
     Ein paar Tage später bittet sie noch mal um meine Hilfe; sie hat noch einen Schrank gekauft, zum Selbstabholpreis bei einer Firma, die ich selbst wegen ihrer grundsätzlichen und absoluten Kundenfeindlichkeit boykottiere. Selbst, wenn sie ihren Kram verschenkten, würde ich dort nicht mehr hin gehen. Versuch machte kluch … Luzy hat aber dort gekauft.
     Mit dem Passat fahren wir hin; sie hat auf meinen Rat vorher noch mal angerufen und gefragt, ob der Schrank von den Abmessungen her in den Wagen paßt oder ob wir den Dachgepäckträger aufbauen müssen. Schrank paßt. Angeblich.
     Wir erreichen die Firma, deren Aktionäre lieber alles Geld in die eigene Tasche ziehen, statt in Personal und Organisation zu investieren; daß es sich trotzdem um Hessens größtes Möbelhaus handelt, bestätigt nur meine Befürchtung, daß die Hessen insgesamt über einen mindestens sehr negativen Intelligenzquotienten verfügen – so ab minus 150 abwärts. J
     Meine warnenden Prophezeiungen erfüllen sich: Luzy will mit Scheck bezahlen, aber an allen Kassen weiß niemand, wie der verbucht wird. Als das endlich geklärt ist, stellt man fest, daß auf dem Scheck die Bankleitzahl fehlt – wohingegen es zur Allgemeinbildung gehören sollte zu wissen, daß sowohl BLZ als auch Bankbezeichnung und Bankadresse auch getrennt voneinander eine sichere Bestimmung ermöglichen. Bei diesem Möbelhaus weiß man das nicht und braucht neben Bankbezeichnung und Bankadresse die Bankleitzahl ganz unbedingt dringend zusätzlich.
     Dann stehen wir über eine Stunde da und warten, bis sich ein Mi(s)tarbeiter der Firma endlich bequemt, den Schrank aus dem Lager zu holen. (Zwischenzeitlich können wir beobachten, wie ein paar Leute einen recht großen Kleinlaster mit einer Wohnzimmereinrichtung beladen und das nicht gebacken kriegen – immer wieder bleibt wenigstens eines der Teile draußen, weil es nicht 'reinpaßt. Vielleicht sollten die Leute erst mal Tetris spielen lernen … Als ich endlich drauf und dran bin, hinzugehen und ihnen zu empfehlen, die Hecktüren des Transporters auszuhängen und vor Ort liegenzulassen, schaffen sie es doch noch und entfernen sich … geraume Zeit später kommt dann endlich Luzys Schrank.)
     Hatte nicht jemand am Telefon genuschelt, er würde in den Passat passen?
     Tut er latürnich nicht. Ein paar Zentimeter sind die Kisten, in denen das zerlegte Unikum steckt, zu lang. Ich muß also mit offener Heckklappe fahren.
     Vor Luzys Wohnung angekommen, stelle ich fest, daß die Kisten zu schwer sind, sie die Treppe hinauf zu wuchten. Also werden sie draußen auf der Straße ausgepackt. Ergänzend stelle ich fest, daß es wohl besser gewesen wäre, sie gleich beim Möbelfritzen auszupacken und das Packmaterial dort zu lassen – das erweist sich erstens als das schwerste von allem, und zweitens hätten die Schrankteile unverpackt viel besser in den Passat gepaßt. Beim Ausladen fange ich mir noch eine Muskelzerrung am Rücken ein, die mir fast eine Woche lang eine Menge Freude bereitet und dafür sorgt, daß ich zwei Tage lang nicht richtig sitzen, stehen oder liegen kann. Nur Gehen geht.
     Wir tragen die Einzelteile hoch und nähen den Schrank zusammen. Die mitgelieferten Schrauben erweisen sich als völlig unbrauchbar; ich fahre heim, hole meine Werkzeugkiste mit Werkzeug, Schrauben und Nägeln. Meine Schrauben lassen sich wenigstens ins Material eindrehen; den Herstellermüll werfen wir in den Müll.
     Der Schrank steht.
     Das Schloß funktioniert nicht.
     Luzy will am nächsten Tag beim Möbeldealer anrufen und reklamieren. Der erzählt ihr dann, der Schrank sei in Italien gebaut worden, und auch ein neues Schloß müsse erst aus Italien bestellt werden, und es dauere ein paar … Wochen? Bis heute wartet sie auf das Teil. Ich weiß wohl, warum ich bei diesem Möbelhökerer generell nicht kaufe …
     Nun gut, jetzt ist die Wohnung komplett.
     Derweil hat Chinesen-Willi auch einige Anschaffungen tätigen müssen. Wir erinnern uns: Klopapier, Bettwäsche, Herd und Waschmaschine. Und natürlich einen Kleiderschrank, irgendwo muß er ja seine Hunderte von Thai-Anzügen lassen, damit die nicht zerknittern.
     Kostet alles Geld.
     Den Flug seiner chinesischen Freundin hat er bezahlt. Herd, Waschmaschine und Schrank hat er im Eiltempo gekauft, also garantiert teuer, weil ihm kaum Zeit zum Preisvergleich blieb. Kurz vorher hat er ein Auto gekauft, sein früheres hat er ja, als er nach China ging, verscherbeln lassen, muß jetzt aber wieder mobil sein. Und er hat jetzt die gesamte Schuldentilgung für den Wohnungskauf auf der Backe. Sein Konto dürfte inzwischen tief im roten Bereich und vermutlich weit jenseits des Dispos sein; immerhin muß er seiner Geliebten ja auch einen gewissen Standard bieten. Und die Buschzulage, die er für seinen China-Aufenthalt von der Firma zusätzlich bekam, hat er dort längst unter die Leute gebracht, indem er seiner Geliebten zu deren Existenzsicherung in Shanghai ein Schuhgeschäft gekauft und ausgestattet hat. Wer führt den Laden jetzt eigentlich? Das schulpflichtige Kind? Wie auch immer, finanziell dürfte er sich ganz gewaltig verhoben haben.
     In der Nachbarschaft ist er auch untendurch. Fremdbumsen kann ja zur Not noch akzeptiert werden, aber keiner findet gut, daß er seine Geliebte auch noch mit in die eheliche Wohnung gebracht und dauereinquartiert hat. Und herumgesprochen hat es sich sogar vor Luzys Umzug schon im gesamten Ort. Zwischendurch vorwurfsvoller Ruf vom Balkon aus zu einem Nachbarn: »Du hast mich aber gar nicht gegrüßt …« Ob das wohl einen Grund hat?
     Abschließend fällt mir dazu gerade ein altes chinesisches Sprichwort ein:
     »Eine Frau und zwei Männer – kompliziert. Ein Mann und zwei Frauen – ruiniert.«
     Und ich kann nicht behaupten, daß ich es ihm nicht gönne …

Möglicherweise ist diese Geschichte frei erfunden, und Ähnlichkeiten mit lebenden, toten oder sonstigen Personen sind somit selbstverständlich rein zufällig. Copyright © 1999 by Werner K. Giesa



Dem Wemwolf sein Lehben

Bisweilen geschieht es, daß sich unter der Flut von Leserbriefen, die stets über mich bzw. vorwiegend mein alter ego ROBERT LAMONT, Verfasser der BASTEI-Mystery-Serie Professor ZAMORRA, hereinbricht, ein echtes Highlight befindet. So z.B. nachstehende Anfrage einer hoffnungsfrohen und überaus talentierten Nachwuchsautorin, die ihren Brief statt mit handgefertigter Unterschrift mit einem per Grafikprogramm aufwendig gestalteten, dynamischen 3-D-Schriftzug signierte. Echt schade, daß ich den besser weglasse, wie auch den Absender, aus datenschutzrechtlichen und peinlichkeitsverhindernden Gründen.
     Deshalb an dieser Stelle nur der sachdienliche Auszug des Briefes, in klingonenblutroten Lettern; die Originalfarbe kommt bei diesem Scan leider nicht so schön durch, und auch der hier zwangsläufig fehlende Briefkopf und die 3-D-Grafikunterschrift der Dame gaben dem Schriftstück ein wirklich anregendes Aussehen.
Ups! Bislang ist es mir leider mangels Zeit noch nicht gelungen, der jungen Dame Zurück zu schreiben und ein Paar Ratschläge zu geben. Andererseits, was soll ich dazu noch sagen?
     Vielleicht: »A: Kauf dir 'n Feuerzeug. B: Verbrenn das Manuskript.« Das wären dann schon zwei – mithin ein Paar – Ratschläge.
     Aber das bringe ich einfach nicht übers Vampirherz. Vielleicht hat die Frau tatsächlich gute Ideen für eine gute Story. Aber ein wenig Rechtschreibung und Grammatik sollte schon dazugehören. Sonst faßt der Lektor das Skript nämlich nicht mal an, sondern schmeißt es gleich ins Altpapier oder löscht die Datei.
     Texte dieser Art gibt's leider zuhauf. Was die Rechtschreibung angeht, steht's längst schlimm in diesem, unserem Lande. Und die uns gesetzlich zudiktierte Schlechtschreibreform sorgt höchstens für weitere Verunsicherung.
     Nehmen wir's also, wie's kommt. Man gewöhnt sich an allem, auch am Dativ.

Werner K. Giesa, Juni 2000



Brauchen Ameisen Benzin?

Normalerweise pflege ich auf dieser Seite meine eigenen Erlebnisse der mehr oder minder aufmerksamen mitlesenden Zielgruppe darzubieten. Zuweilen geschehen in den unendlichen Weiten des Universum aber auch Dinge, die anderen Personen zustoßen.
     Zum Beispiel einer befreundeten Kollegin, die mit mir das im Heel-Verlag erschienene Motion-Book »Hagar Qim« schrieb und mit der ich auch anderweitig literarisch gern und gut zusammenarbeite; zur Zeit des Geschehens lebte sie abwechselnd in der Bundesrepublik Deutschland (Bonn) und dem Stoiberreich Baiern (München), wo sie  gegen  für den TV-Sender Pro7 arbeitete. Und eben dort, in München, spielte sich jenes dramatische Ereignis ab, von dem Claudia Kern nunmehr livehaftig berichtet …


Guten Morgen für die unter euch, für die es einer ist und laßt euch informieren, wie es mir hingegen am heutigen Tage bisher ergangen ist:
     Ich hab verschlafen. Okay, das ist noch nicht so ungewöhnlich, und es war auch die Art des Verschlafens, die es einem ermöglicht, bei größter Hektik doch noch pünktlich zu sein. Ich sprang also in mein Auto und raste unter Umgehung sämtlicher Geschwindigkeitsbegrenzungen auf meinen »heißgeliebten« Arbeitsplatz zu. Ein Blick auf die Uhr verriet mir, daß Entspannung angesagt war, denn ich hatte noch fast zehn Minuten Zeit.
     Dann erstarb der Motor.
     Kein Benzin mehr.
     Mitten auf der Schnellstraße.
     400 Meter vom Sender entfernt.
     Sanft rollte der Wagen auf dem grasigen Hang am Rande der Schnellstraße aus, während ich fünf Minuten lang wie ein Mantra wiederholte: »This isn't happening. This isn't happening …« Erst dann vollzog ich Schritt Nummer zwei, den der totalen Erniedrigung.
     Ich rief im Sender an.
     Nachdem sich die allgemeine Heiterkeit gelegt hatte, bot sich ein Kollege von mir an, zu meinem Auto zu fahren, mich zur Tankstelle und auch wieder zurück zu bringen.
     Meine Laune stieg – verfrüht …
     Die Fahrt verlief ereignislos, ebenso wie das Tanken und die Fahrt zurück zu meinem Auto.
     Als ich jedoch versuchte, das Benzin aus dem Kanister in den Tank zu schütten, kam die nächste Ernüchterung.
     Kein Trichter.
     Wir versuchten, einen Trichter aus den zahlreichen Utensilien im Inneren meines Autos zu bauen und kamen uns dabei schon vor wie in einer dieser peinlichen Gameshows – ohne Erfolg. Plötzlich hatte ich einen brillanten Einfall. Ich nahm eine kleine Plastiktüte, schnitt am unteren Ende eine Ecke weg, verstärkte diese Seite mit einem Kugelschreiber und stopfte sie in die Tanköffnung. Mein Kollege hielt daraufhin den Kanister an die Oberseite der Tüte und ließ vorsichtig das Benzin hineintropfen.
     Hätte einer von uns in den langen Schuljahren eine einzige Chemiestunde nicht mit den Lesen von Horrorromanen, sondern mit dem Lehrer zugewandter Aufmerksamkeit verbracht, wäre unsere Überraschung, als die Tüte eine chemische Reaktion mit dem Benzin einging, vielleicht geringer ausgefallen.
     So aber starrten wir uns nur einen Moment an, während sich die Tüte unter unseren Fingern auflöste und sagten gleichzeitig »Oh …«, als das Benzin auf unsere Schuhe spritzte.
     Hatte ich eigentlich schon die Ameisen erwähnt?
     In einem nahezu unglaublichen Zufall war es mir nämlich gelungen, im vermutlich einzigen Ameisenhaufen in Südbayern zu parken, was mir allerdings erst bewußt wurde, als die erkundungsfreudigeren unter den Sechsbeinern damit begannen, das Innere meiner Hose hinaufzuklettern. Ich hätte mich ja gerne gewehrt, aber zu diesem Zeitpunkt stand ich bereits mit einer Mineralwasserflasche voller Benzin über den Tank gebeugt, während mein Kollege, der übrigens darum gebeten hat, anonym zu bleiben, mit einem Kugelschreiber den Metallverschluß zurückbog. Trotz der Insekteninvasion an den Beinen ruhig zu bleiben und möglichst wenig zu verschütten, erinnerte an eine zen-buddhistische Konzentrationsübung inmitten eines MAD-MAX-Films. Meine Bemerkung: »Dein Karma wird es dir danken, Grashüpfer« stieß dann auch wie erwartet auf wenig Gegenliebe.
     Nach rund zwanzig Minuten gelang es uns, die vier Liter aus dem Kanister in den Tank zu füllen. Und da soll nochmal einer sagen, Zivilisationsmenschen sind hilflos, wenn sie auf sich allein gestellt sind.
     Eine Frage hätte ich allerdings noch: Meint einer von euch, daß ein Kugelschreiber im Tank ein Problem sein könnte?

Copyright © 1999 by Claudia Kern



Wählt Papageien!

Mehr und mehr erweist es sich als sinnvoll, Politiker in Bund, Ländern und Kommunen durch Papageien zu ersetzen. Ein wissenschaftlicher Vergleich beweist, daß es objektiv keine Unterschiede zwischen Papageien und Politiker gibt:
  • Papageien sind laut.
  • Papageien sind verschwenderisch.
  • Papageien verursachen eine Menge Unrat.
  • Papageien scheißen auf alles.
  • Papageien sind rachsüchtig.
  • Papageien sind lästig.
  • Papageien sind komische Vögel.
  • Papageien setzen sich stets farbenprächtig schillernd in Szene.
  • Papageien sind egoistische Tyrannen.
  • Papageien übernehmen keine Verantwortung.
  • Papageien plappern alles nach, was man ihnen vorsagt.
  • Papageien saufen Bier, wo immer sie es bekommen können.
  • Papageien bringen außer leidlich passablem Aussehen nicht den geringsten Nutzen.
  • Papageien kann man kaufen.
  • Papageien erreichen maximal die Intelligenz von Vorschulkindern.
Alles in allem also nicht der geringste Unterschied zu Politikern. Den gibt es nur in Fragen der Rentabilität: Die Anschaffung eines Papageis ist eine einmalige finanzielle Belastung in Höhe einiger hundert Mark, der Unterhalt bleibt bei niedrigen Futterkosten in erschwinglichem Rahmen. Die Anschaffung eines Politikers dagegen ist aus finanzieller Sicht ein Faß ohne Boden – mit Folgekosten in unabsehbarer Höhe. Anstelle eines einzigen Politikers könnte man bei gleicher Lebenserwartung einige hundert oder tausend Papageien durchfüttern. Zudem verlangen Papageien keine sündhaft teuren Dienstwagen, sondern treten lieber als Radfahrer auf; für ihre Flüge benutzen sie eigene Flügel und keine teuren Flugzeuge, und sie wollen nicht auch schon nach anderthalb Legislaturperioden mit lebenslanger Staatspension in immenser Höhe abgefunden werden.
     Aufgrund dieser für die Papageien mehr als günstig ausfallenden Kosten-Nutzen-Rechnung wäre es zur Sanierung des Staatshaushaltes die beste Lösung, die Politiker abzuschaffen und durch Papageien zu ersetzen.

Copyright © 1997 by Werner K. Giesa



Das Krokodil im Kronleuchter

Ganz harmlos begann es mit der Bemerkung unseres Vermieters, daß die Eigentumswohnung, in der wir uns vor etlichen Jahren einnisteten, verkauft werden sollte. Er hatte sich ein Haus in 'nem Nobelkaff gekauft, und mit dem Verkauf »unserer« Wohnung wollte er einen Teil seines Kredits finanzieren. Ob denn nicht wir kaufen wollten? – Nee, liebe Leute. Wir wollen zwar irgendwann Wohneigentum schaffen. Aber in einem Einfamilienhaus, in dem wir Ruhe vor rund um die Uhr lästig-lärmender Nachbarschuft haben. Aber nicht dieses ringsum von »Feindesland« umgebene »Arbeiterschließfach«. – Aber wir möchten doch bitte Kaufinteressenten einlassen und ihnen die Wohnung zeigen.
     Hätten wir ja gern getan. Wenn denn ein Kaufinteressent gekommen wäre. Statt dessen kam nach einem halben Jahr die Kündigung. Die Leute, die sich für die Wohnung interessierten, schreckten samt und sonders davor zurück, daß sie vermietet war. Wenn man was kauft, will man ja entweder selbst drin wohnen oder sich die Mieter selbst aussuchen, und vor allem die Miete wesentlich höher ansetzen als in unserem relativ günstigen Vertrag. Logisch, gelle? Nun ja, eine einzige Interessentin wollte kaufen, hatte uns sogar versprochen, uns als »Altlast« zu übernehmen – aber noch ehe sie die Wohnung beaugapfeln konnte, sah sie einen Ausländer aus der Haustür kommen und drehte zutiefst entsetzt wieder um – ein Ausländer! Noch dazu ein anerkannter Asylant! Igitt! Nein, mit so was Abscheulichem teilt man doch nicht das Haus, selbst wenn man gar nicht selber drin wohnt, sondern das Vergnügen den Mietern überläßt.
     Sicher hätten wir die Kündigung anfechten können. Aber wir waren immer sehr gut mit dem Vermieter ausgekommen, und es tat ihm auch sichtlich leid, aber seine Bank begann zu drängen, wann denn nun der Verkauf stattfände und die finanzielle Substanz endlich in den Kredit einfließe. Hinzu kam, daß wir nicht mal nach einer neuen Wohnung suchen mußten. Die gegenüber wurde gerade frei. Tür an Tür. Gleiche Größe, gleicher Zuschnitt, nur 50 Huhn teurer. Und die Eigentümerin frisch verwitwet, im eigenen Haus wohnend und diese Wohnung als Alterssicherung betrachtend. Der Vormieter gerade frisch rausgeschmissen, weil seit drei Monaten keine Miete und keine Antwort auf freundliche Ermahnungen kam.
     Und dazu die Wohnung, erst vor 1½ Jahren völlig renoviert und an die Rausgeflogenen vermietet, in völlig desolatem Zustand. Kinder und Katzen hatten sich nachhaltig an und in allen Wänden verewigt, der Teppichboden eine Katastrophe, die Heizung im Bad im Eimer, das Klo kaputt und die Küche ein nackter Raum, aus dessen Wand die blanken Wasserrohre ragten und unter selbigen ein gewaltiges Loch in der Mauer.
     Worauf die alte Dame sich erst mal in Arbeit und Unkosten stürzte, um die versauten Tapeten 'runterzukratzen, den Teppich 'rausreißen und gegen PVC-Belag austauschen zu lassen und so weiter und so fort. Was, wenigstens mit nun verschlossenem und verputzten Loch, nackt blieb, war die Küche.
     Einerseits ist letzteres doch trotz der relativ günstigen Umstände ärgerlich. Was uns den Umzug aber schmackhaft macht: in der alten Wohnung sind die Nachbarn oben, unten und rechts teuflisch laut. Gerade die von oben pflegen das Hobby, mindestens jeden zweiten Tag sämtliche Möbel umzustellen und zudem ständig von morgens um fünf bis abends um elf oder später die gesamte lautstarke Verwandtschaft polternd, schreiend, feiernd und musizierend zu Besuch zu haben. Ob die Verwandten samt und sonders unter Brücken schlafen, so daß nicht wenigstens einmal 'ne Feier zur Abwechslung bei denen stattfinden kann? In der neuen Wohnung hingegen haben wir nur Nachbarn oben und unten, und die sind beide ziemlich ruhig. Von daher werden wir uns also verbessern.
     Derweil geht das Kalkulieren los: Was können wir machen, außer den Mietvertrag zu unterschreiben, die Kaution zu leisten und dergleichen mehr? Und vor allem: Kommen wir aus dem gekündigten Altvertrag auch früher 'raus, da der bis Ende September läuft, die gute Frau aber zwingend ab 1. Juli vermieten will, weil sie das Geld braucht? – Okay, wir kommen 'raus. Vorsichtshalber vereinbaren wir, daß wir die alte Wohnung noch bis zum 30. August behalten, das gibt uns vier Wochen Zeit für den Umzug von einer Tür zur anderen. Zeit genug.
     Der Mensch denkt, und Gott lenkt. Der Mensch dachte, und Gott lachte.
     Aber zunächst mal müssen wir den Schlag verkraften, einen Monat lang zwei Wohnungen zu mieten. Das geht ins Geld. Dazu müssen wir die neue Küche komplett ausstatten: In der alten hatten wir eine Einbauküche, die wir aber nicht mitnehmen können, weil sie erstens nicht paßt (die Wohnung ist zwar spiegelverkehrt, aber die Maurer müssen einen komischen Spiegel gehabt haben, weil keines der Zimmer hundertprozentig mit dem anderen übereinstimmt und die Küche ein Stück kleiner ist) und zweitens dem Vermieter gehört – mit Ausnahme des Kühlschranks. Der ist unserer, wie auch die Verpflichtung, daß wir uns um Instandhaltung/Ersatz defekter Teile kümmern. Dummerweise war es nicht lange vorher erforderlich, die kaputte Waschmaschine gegen eine nagelneue auszutauschen; an sich kein Problem, da wir ja damit gerechnet hatten, noch etliche Jahre hier zu wohnen, so daß sich der Neu- statt eventuellem Gebrauchtkauf für uns rechnet. Tja, und nun soll diese schöne neue Maschine in den Besitz des Vermieters übergehen und wir den antiken Kühlschrank mit nach gegenüber nehmen? – Schließlich einigen wir uns dann darauf, daß wir Kühlschrank gegen Waschmaschine austauschen; daß die Maschine neu ist, weiß der neue Besitzer eines alten Kühlgerätes nicht. Und wir rechnen damit, daß erstens ein Kühlschrank doch recht schnell zu beschaffen ist und zweitens leichter die drei Treppen 'raufzuschleppen ist als eine Waschmaschine.
     Ein Neugerät wollen wir nur im Notfall kaufen, der finanzielle Rahmen ist eh schon eng genug. Denn Umzug und Renovierung gehen ins Geld. Man könnte ja eine Firma damit beauftragen, aber erstens kostet das ebensoviel, wie ich als Verdienstausfall kalkulieren muß, wenn ich die Arbeit selbst mache, und zweitens weiß ich so wenigstens, daß es richtig gemacht wird. Also: in die Hände gespuckt und zugepackt.
     Tapeten gekauft, Kleister gekauft, Tapezierausrüstung beschafft und die Tapeten an die Wände genäht. Kein Problem, so was machen wir ja schließlich nicht zum ersten Mal. Und die Graffiti der Vormieter an den Wänden, die die Vermieterin zunächst mit Wandfarbe überstrichen hat und daran beinahe weinend verzweifelte, weil die schwarzen, blauen und roten Lettern und Bilder immer wieder durchschimmerten, verschwinden sang- und klanglos unter den Tapetenbahnen. Eine wahre Freude sind die Lichtschalter und Steckdosen; ganz besonderes Design, ganz besondere Konstruktion und beim Ein- und Ausbau ein umständlicher Blödsinn, wie ihn sich nicht mal die Bundesregierung ausdenken könnte. Dazu ist es nach Jahren endlich mal wieder Sommer geworden und brütend heiß; statt die Sonne zu genießen, muß geschuftet werden, und statt daß die Tapetenbahnen »eingeweicht« werden können, beginnt der Kleister schon auf dem Weg vom Tapeziertisch zur Wand zu trocknen!
     Zwischendurch versuchen wir einen Kühlschrank auf dem Gebrauchtmarkt zu beschaffen. Wo immer wir anrufen, isser gerade verkauft, und Gebrauchthändler haben alles mögliche, bloß keinen Kühlschrank. Waschmaschinen und Herde könnten wir jede Menge bekommen ... aber auch den Herd haben wir längst; stand einige Zeit in Reserve. Der braucht bloß angeschlossen zu werden. Und die Abdeckung des 380-Volt-Anschlusses ist defekt. Zisch! Tausendmal berührt, tausendmal is' nix passiert. Auch diesmal nicht. So oft, wie ich schon am Strom gehangen habe, müßte ich seit zwanzig Jahren tot sein. Aber offenbar bin ich gegen Elektrizität immun. Andere werden nach solchen Kontakten als Holzkohle eingesargt ...
     Nun, zwischendurch muß man auch noch ein bißchen arbeiten, damit nicht nur Geld ausgegeben wird, sondern auch wieder hereinkommt. Tagsüber in der Wohnung wuseln, nachts am PC Romane schreiben, das geht irgendwann an die Substanz, und so schleppt sich beides dahin. Ich habe meinen erarbeiteten Vorsprung von anderthalb Manuskripten verloren und hänge wieder mal eine Woche hinterm Satztermin, d.h. dem Datum, an dem das Skript in die Setzerei/Druckerei muß – vorher möchte es der Redakteur aber auch noch lesen und der verlagseigene Anwalt auf jugendgefährdende Stellen bzw. das »exzessive Ausleben von Gewaltfantasien des Autors« prüfen, und die Sache mit der Wohnung schleppt sich auch dahin. Außerdem stehen noch Fernsehaufnahmen für 'ne Buch-Promotion an, die auch Zeit kosten; aber das ist eine ganz andere Geschichte. Alsbald steht fest, daß wir Ende August alles andere als fertig sind – es sei denn, mit den Nerven.
     Also noch mal in den Geldbeutel geschaut, mit dem Vermieter gesprochen und um einen halben Monat verlängert. Der Vermieter ist nicht ganz abgeneigt; immerhin gibt das nochmal die halbe Miete, und Geld braucht er auch; seine Bank hängt ihm jetzt schon schriftlich im Nacken und will wissen, wann die Wohnung denn nun endlich verkauft wird, damit der Rubel rollt. Ob wir denn nicht jemand kennen würden, der kaufwillig ist ... Ja, woher denn? Kaufinteressenten wachsen nicht am nächsten Baum ...
     Mitte August sind wir dann endlich soweit, daß wir ein paar Helfer bitten können, uns beim Möbelrücken zur Hand zu gehen. Vieles, wie das komplette Arbeitszimmer und zahlreiche Kleinteile, haben wir schon vorher zu zweit hinübergeschafft. Viele Dinge lassen sich einfach von Wohnung zu Wohnung rollen. Ein Schrank muß zerlegt werden, wobei sich herausstellt, daß die Helfer, die uns beim vorigen Mal zur Hand gingen, selbigen Schrank zusammengenagelt haben, weil einer so dusselig war, die Schrauben zu verlieren. Mit Mühe und Not kriegen Olaf und Manfred den Schrank auseinander und dann wieder zusammen, aber noch einen Umzug wird er nicht mehr überstehen. Merke: Beim nächstenmal einen neuen Schrank kaufen und den alten kaputtschlagen. – Ob die Erinnerung soweit reicht?
     Ein anderer Schrank muß aus dem Keller nach oben, weil uns da mindestens ein Küchenschrank fehlt. Also mußten für den Keller zunächst Regale beschafft werden, die den dort plazierten Schrank ersetzten. Den Schrank selber nach oben zu bekommen, wird der wirklich einzige üble Kraftakt, zumal zunächst die Keller-Holzverschläge zerlegt werden müssen – das Monstrum käme sonst nicht zur Tür hinaus. (Beim Hineintragen beim Einzug in die alte Wohnung war's dasselbe Elend ...) Aber nun ist das Teil oben.
     Bleibt noch, die Spüle anzuschließen. Das macht Thomas am nächsten Tag, wie auch die Lampen; die erste echte Übernachtung im neuen Heim haben wir mit Beleuchtungs-Improvisation hinter uns gebracht. Aber die Spüle zu bekommen, war ein weiter Akt besonderer Güte.
     In der Küche gab's ja nur die Rohre in der Wand. Also, wochenlang Kleinanzeigen durchgewühlt, Gebrauchtmöbelhändler abgeklappert bzw. abtelefoniert: Nix zu kriegen. Wie beim Kühlschrank, alles praktisch schon verkauft, bevor's Inserat erscheint. Also beschließen wir, das Ding neu zu kaufen. Spüle mit Unterschrank. Küchenfachgeschäfte, Baumärkte: Ja, kein Problem. Lieferzeit vier bis sechs Wochen. Ja isses nich schön? In zwei Wochen ... in zehn Tagen ... in einer Woche ... wollen wir einziehen! Kein Arsch ist in der Lage, Spüle und Unterschrank sofort zu liefern. Ja, wenn es eine komplette Einbauküche wäre! An der kann man ja auch wenigstens zwölf Riesen verdienen, wenn man dem Kunden fünfzehn abzockt für ein paar furnierte Bretter, Schrauben und Scharniere. Aber so'n lausiges Einzelteil ... Also letzter Versuch: Anruf bei Otto Neckerquelle. 48-Stunden-Lieferservice, für so eminent wichtige Dinge wie Bademäntel, Zahnbürsten und Autoradios. Aber für Spülen? Gar nicht dran zu denken. Lieferzeit vier bis acht Wochen ... 'ne Maschinenpistole samt Muni für den sorgfältig geplanten Amoklauf kriege ich in Frankfurts Rotlichtviertel innerhalb von drei Stunden, wenn's sein muß!
     Aber dann muß es doch nicht sein. Ein Sanitär- und Installationsgeschäft sichert uns Bereitstellung innerhalb von 24 Stunden zu. Obgleich nix auf Lager ist und erst bestellt werden muß. Erleichtert sagen wir zu, legen auch gleich das Geld hin. »Wir rufen Sie an, sobald das Teil da ist.«
     24 Stunden später hat noch kein Mensch angerufen. Tags drauf rufe ich an. »Ja, und wir haben uns gewundert, daß Sie nicht gekommen sind. Ich hatte Ihnen doch gesagt, maximal 24 Stunden ...«
     Nun gut, Thomas baut uns das Ding samt Armaturen an, inkl. der Waschmaschine, schließt auch den Herd an die wunderschöne 380-Volt-Leitung an und stellt nebenbei fest, warum die Schlafzimmerlampe nicht funktioniert: der Schalter in der Wand ist völlig falsch angeschlossen! Was mich zu der Frage bringt: womit haben die Vormieter ihre Schlafzimmerlampe zum Leuchten gebracht? Mit Zaubersprüchen?
     Nebenbei sei in Sachen Tapezieren und Möbelaufstellen noch lässig vermerkt, daß in Hessen ein Rechter Winkel nicht zwingend 90° betragen muß. Folglich sind die Wände krumm und schief und bisweilen auch ein wenig rund; aus Sympathie schließen sich Fußboden und Holzvertäfelung an der Zimmerdecke dieser Eigenheit an, und das Türloch im Bad muß gar so lustig geformt sein, daß die Türzarge noch mal extra rechts, links und oben mit erweiternden Panelen verblendet werden mußte und nun fast breiter erscheint als die Tür selbst. Tja, auch Kleinigkeiten können eben Freude machen ...
     Freude ganz besonderer Art haben uns vorher schon die Telekomiker bereitet. Das Telefon muß ja in die neue Wohnung umgestellt werden. Also beim Service angerufen. »Kein Problem. Welchen Termin hätten Sie denn gern?« Wir einigen uns auf den 25. Juli. Die Adresse, Hausnummer 13, bleibt, die Etage bleibt – der Anschluß muß nur von einer Leitung auf die andere geschaltet werden. Also wird vorrangig das Arbeitszimmer klar gemacht – sobald das Telefon drüben ist, muß ich ja auch mit der Arbeit drüben sein.
     Am 22. erhalte ich einen Brief der Telekom, in dem mir bestätigt wird, daß der Anschluß im Laufe des 24. abgeschaltet und im Laufe des 25. wieder eingeschaltet wird. Na prima. Am frühen Morgen des 24., gerade Feierabend gemacht (ich arbeite ja nachts), nehme ich das Schreiben noch einmal zur Hand, schaue mir den kleingedruckten Text im Detail an und sehe erschrocken – die Adresse ist falsch! Da steht: Hausnummer 13 abgeschaltet ... Hausnummer 3 eingeschaltet!
     3 und 13 sind ja so schwer voneinander zu unterscheiden, nicht wahr? Vor allem, wenn man bei dem Telefonat mehrmals darauf hingewiesen hat, daß die Adresse, speziell unter der Hausnummer 13, bleibt, daß es sich um einen Umzug innerhalb des Hauses handelt, daß sich nichts ändert außer der Wohnung! Also, noch eine Stunde wachbleiben und direkt anrufen, ehe diese Witzbolde die Leitung »im Laufe des Tages« abschalten und ich zum öffentlichen Fernsprecher muß, um zu reklamieren. Ich bekomme auch tatsächlich jemanden an den Apparat, der verspricht, mich unverzüglich zu der zuständigen Person weiterzuverbinden. Augenblicke später bricht die Leitung zusammen, und als ich versuche, den Typen erneut anzurufen, nimmt eine satte Viertelstunde lang niemand mehr ab.
     Ich wähle also eine andere Nummer. Der Telekomiker dort verspricht mir hoch und heilig, diesen Fehler unverzüglich zu korrigieren. »Können Sie sich drauf verlassen. Mein Name ist ... und wenn etwas nicht klappen sollte, rufen Sie mich direkt an ...«
     Na schön. Gerade noch geschafft.
     Das Telefon in der alten Wohnung ist noch bis Mitternacht in Betrieb und dann schließlich tot. Inzwischen habe ich das neue Arbeitszimmer bezogen. Dort ist eine 3er-TAE-Dose installiert; vorher hatte ich meinen Anschluß über ein Kabel vom Korridor her ins Büro verlegt gehabt, was jetzt natürlich überflüssig ist.
     Im Laufe des 25. wird der Anschluß in der neuen Wohnung ... nicht freigeschaltet! Bis zu meinem Feierabend morgens zwischen sieben und acht Uhr des 26. bleibt die Leitung tot. Nun brauche ich die aber beruflich praktisch rund um die Uhr, auch an Wochenenden und Feiertagen, für Geschäftskontakte, Besprechungen, Faxe und Datenübertragungen; die Tätigkeit eines Schriftstellers beschränkt sich ja nicht allein darauf, seinen Romantext 'runterzuhacken. Klasse; es ist Samstag; den ganzen Freitag über war ich »taub« und werde es mindestens bis Montag abend bleiben, denn Montagfrüh müssen diese Genies ja erst mal wach werden und begreifen, was ich von ihnen will, und das kann dauern.
     Also werfe ich mich frustriert ins Bett und liege gerade eine halbe Stunde, als die Türklingel summt.
      Normalerweise lasse ich summen. Wer was von uns will, meldet sich vorher an, und wer unangemeldet kommt, hat Pech. Wer uns kennt, weiß schließlich, daß wir vormittags grundsätzlich nicht ansprechbar sind. Aber irgendwas warnt mich; ich stehe wieder auf, schaue aus dem Fenster und sehe ein Service-Fahrzeug der Telekom unten an der Straße; der Telekomiker marschiert gerade wieder darauf zu.
     Worauf ich ihn vom Fenster her per Zuruf stoppe und dann gerade noch Zeit habe, in die Hose zu steigen, so fix ist er im 2. Stock. Vorher ist er schon beim Haus Nr. 3 gewesen, wie's auf seinem Auftragszettel steht, aber da stimmte der Kundenname nicht, und so hat er's auf Verdacht hier probiert und wollte es danach in der Nr. 23 probieren ... Wir betreten die neue Wohnung, er checkt den Anschluß im Wohnzimmer: alles klar. Die Leitung ist freigeschaltet und funktioniert. Im Arbeitszimmer hängt noch nicht die komplette Anlage an der Dose; die will ich erst einstöpseln, wenn alles klar ist, keiner mehr an den Anschluß muß und ich 'nen Schrank davorstellen kann. Statt dessen hängt da vorerst ein »Nottelefon« dran, mit dem ich gestern den ganzen Tag über immer wieder mal geschaut habe, ob ein Freizeichen kommt. Und siehe, selbiges kommt auch jetzt nicht.
     Wie bitte?
     Er schraubt die Blende von der TAE-Dose ab und checkt die Steckdose. Die funktioniert. Er schraubt die Blende wieder drauf, und die TAE-Dose funktioniert nicht. Schließlich stellt er fest, daß sie falsch eingebaut wurde – zu tief. »Na schön, und was jetzt?« »Jetzt lassen Sie die Blende einfach weg.«
     Okay, damit kann ich leben. Das Telefon, ein ganz einfaches Gerät, funktioniert auch ohne diese Blende.
     Der Telekomiker ist weg, ich habe meinen Schlaf hinter mir und setze mich am Samstagnachmittag wieder an die Arbeit. Ich schließe statt des Einfachgerätes das eigentlich genutzte Komforttelefon mit Display, Speicher und allerlei anderen nützlichen Gimmicks an, hänge das Modem an – und das Komforttelefon funktioniert nicht.
     Das zweite, das Wohnzimmergerät, probeweise angehängt, auch nicht.
     Das einfache Gerät dagegen funktioniert, aber mit dem kann und will ich nix anfangen, das ist nur für Notfälle da, sonst tippe ich mir bei zehn- und zwölfstelligen Rufnummern doch die Finger wund, und Freisprecheinrichtung hat das Ding auch nicht. Wieso, verdammt noch mal, funktionieren die Supertelefone nicht, während das Brot&Buttergerät einwandfrei arbeitet? Am Anschluß im Wohnzimmer das gleiche Trauerspiel!
      Ich beschließe, mich nicht mehr an die Telekom zu wenden, sondern an jemanden, der etwas davon versteht. Thomas kommt am Dienstag; was er gemacht hat, weiß ich nicht, aber seitdem funktionieren die Komforttelefone, die Datenübertragung und alles andere – sogar mit Blende an der TAE-Dose im Büro.
     Die Telefonrechnung kommt. Adressiert an mich, aber an die Hausnummer 3 ...
     Ich schicke der Telekom ein Fax mit der Ankündigung, daß, solange die Anschrift nicht richtig ausgeführt wird, die Anschlußänderung für mich nicht korrekt ausgeführt wurde und ich bis zur Behebung des Fehlers den Anschlußänderungsbetrag bei der nächsten Rechnung in Abzug bringen werde; vielleicht hilft das ja. Mal sehen, ob sie meine Reklamation jetzt endlich beachten. Vorerst kommt noch mal eine Benachrichtigung, das neue Örtliche könne abgeholt werden. Auf der Abholkarte steht die Hausnummer 3 ...
     Aber die Androhung, das Geld einzubehalten, wirkt endlich. Wenn's um die Kohle geht, können selbst Telekomiker plötzlich fix werden: Nunmehr sehr zu meinem Verdruß, haben sie die Adresse endlich berichtigt.
     Aber vor ein paar Tagen parkte vor dem Haus Nr. 3 ein Service-Fahrzeug der Telekom. Ob das was zu bedeuten hat ...?
     Wie auch immer – wird sind jetzt drin in der neuen Bude. Einen Kühlschrank haben wir jetzt endlich auch. Aber ganze zwei Wochen haben wir noch gebraucht, in der alten Bude die Tapeten 'runterzureißen (wobei teilweise die vom Vorbesitzer angebrachte Styroporisolierung sich gleich mit von der Wand ablöste), Löcher zu stopfen und andere Kleinigkeiten ... Aber dann: Wohnungsübergabe, keine Bemängelung, und die Rückzahlung der verzinsten Kaution cash auf die Kralle. »Und falls Sie jemanden kennen, der die Wohnung kaufen möchte ...« Ich sehe schon die Zwangsversteigerung.
     Und in der neuen Wohnung die Wohnzimmerlampe, die zu tief hängt.
     In der alten hing sie über dem Eßtisch, der Rest des Zimmers war anderweitig ausgeleuchtet. Hier geht's ohne gewaltigen Aufwand nicht anders: sie muß in die Zimmermitte und gehört zu den verflixten Dingen, die sich nicht kürzen und damit höher setzen lassen. Schön sieht es zwar nach wie vor aus, dieses riesige Holzrad mit den fünf Lampen; schöner als jeder glasperlenglitzernde Kronleuchter. Aber es hängt auf meiner Stirnhöhe, und ungewohnterweise laufe ich ständig davor.
     Also habe ich Elvis, unser Krokodil, hineingehängt. Seither kollidiere ich etwas weniger oft mit dem verflixten Ding.

Werner K. Giesa, September 1997



Ja, liebe Leser, ihr fühlt euch so sicher … dabei ahnt ihr nicht einmal, welch gar schlimmes Monster unter Euch weilt, welch gewalttätiger, bösartiger und was der schadstoffhaltigen Adjektive noch mehr sind, Mensch. Mensch? Äh … Gemeint ist der Schreiber dieser und vieler anderer Zeilen.
     Daß selbiger seine Brötchen und bisweilen auch ein Löffelchen Marmelade dazu mit dem Schreiben von Unterhaltungsliteratur verdient, dürfte sich ja inzwischen herumgesprochen haben. Was wenigen bekannt ist: die Romane der Mystery-Heftserie »Professor Zamorra«, die besagter Zeilenschreiber unter dem allseits bekannten Pseudonym »Robert Lamont« verfaßt und die der Bastei-Verlag alle zwei Wochen an die Kioske bringt, werden generell vor der Veröffentlichung von einem Juristen in Sachen Jugendschutz geprüft. Soll heißen, dieser Prüfer bekommt auch noch Geld dafür, daß er meine hochliterarischen Ergüsse (und auch die meiner Kollegen) erst einmal liest und abcheckt, ob jugendgefährdende Passagen darin sind, zum Beispiel Gewalt, Pornografie, Dingsbums oder Bumsdings. Die drei letztgenannten Dinge sind dabei weniger wichtig. Denn ein gar besonders scharfes Äuglein ruht auf dem Thema Gewalt & Co. Was der Prüfer am Roman bemängelt, muß abgeändert werden, um schon im Vorfeld zu verhindern, daß jemand auf die Idee kommt, sich an die »Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften« zu wenden und einen Indizierungsantrag zu stellen.
     Generell eine durchaus löbliche Sache. Gut sowohl für den Verlag, dem somit eventuelle Indizierungsverfahren erspart werden, und gut für die jugendlichen Leser der Hefte, denen solcherlei böses Schriftwerk erspart wird, damit sie ausschließlich von heiler Welt berieselt werden.
     Nun schreibt der Autor Romane, die bisweilen in der Vergangenheit angesiedelt sind. Da kommt es schon mal vor, daß von einem angreifenden Kriegs- oder Piratenschiff aus ein Dorf voller kannibalischer Eingeborener mit Kanonenkugeln ausradiert wird. Tja, bemängelt der Prüfer prompt, »ausradieren« darf der Autor nun aber gar nicht schreiben, weil dieses schaurige Wort historisch belegt ist, von den Nazis. (Daß die Kannibalen vorher ein paar Leute schlachten und auffressen, findet indessen im Prüfbericht ebenso wie das Massakriertwerden durch den Beschuß aus Schiffskanonen keine kritische Erwähnung. Bemängelt wurde nur das »Ausradieren«.)
     Worauf der Autor sich nun fragt, ob Hunderttausende von Schülern keine Radiergummis mehr benutzen dürfen, um fehlerhaft geschriebene Wörter oder Ziffern in ihren Heften auszuradieren, damit sie durch korrigierte Werte ersetzt werden können. Denn das Ausradieren ist ja durch die Nazis historisch belegt, und jeder, der etwas ausradiert, mithin ein Nazi.
     In einem weiteren Roman, ebenfalls in der Vergangenheit angesiedelt (anno domini 1675), beballert ein Piratenschiff einen anderen Segler, und eine der Romanfiguren philosophiert in einem anderen Handlungsstrang darüber, daß die Heilige Inquisition Ketzer und Hexer und anderes garstigs Kroppzeuch ein bißchen foltert und dann auf dem Scheiterhaufen abfackelt.
     Dieses jedoch, so kritisiert der Prüfer, ist eine Verunglimpfung der Kirche, die er ganz gewiß nicht mehr in einem Roman lesen will! (Äh, mal 'ne ganz dumme Frage: Ist die Inquisition incl. Hexenprozesse nicht historisch belegt?). Und daß die Piraten Kanonenkugeln auf das Beuteschiff abfeuern, ist Gewaltverherrlichung. (Noch 'ne ganz dumme Frage: Hätten sie statt dessen lieber die Kanonen werfen sollen?) Und daß die Piraten das andere Schiff auch noch versenken, ist »das Ausleben exzessiver Gewaltfantasien des Autors« (und natürlich auch nix historisch Belegbares; Piraten haben ja noch nie, seit dieses Universum besteht, andere Schiffe versenkt, oder irre ich mich da?).
     Also, liebe Leser, seid vorsichtig, wenn ihr euch mit mir einlaßt. Ihr habt einen exzessiven Gewaltfantasietäter vor euch. Einen ganz bösen Menschen, der Gewalt verherrlicht und die Kirche verunglimpft.
     Der Chefredakteur, selbst Verfasser unzähliger historischer Seefahrtsromane, lag angesichts dieses Prüfberichts übrigens vor Lachen neben seinem Sessel. Schätzungsweise dürfte er damit ein noch viel böserer, gewaltverherrlichenderer und kirchenverunglimpfenderer Mensch sein, wenn er wider den erklärten Willen des Prüfers solch schlimme Machwerke solch schlimmen Autors deckt und veröffentlichen läßt.
     Bevor ich jetzt diesen Text beende, um meine täglichen exzessiven Gewaltfantasien auszuleben, kurz noch einen Satz meines leider verstorbenen Kollegen Karl-Herbert Scheer: »Der Mensch denkt, und Gott lenkt. Der Mensch dachte, und Gott lachte.«
     Wohl nicht nur Gott …
     Und nun viel Spaß mit dem Roman, der unter dem Titel »Piraten der Hölle« am 26. August in den Handel kommt – einschließlich Kanonenkugeln, versenkten Schiffen und den Scheiterhaufen der Inquisition.

     P.S. Da gibt's unter Autorenkollegen den alten Spruch: »Wenn du schreibst: Die Faust krachte gegen das Kinn, wird Faust als Subjekt der Gewalt gestrichen, Kinn als Objekt der Gewalt, krachte als Gewaltverherrlichung, und gegen wird aus politischen Gründen gestrichen.«
     Und da gibt's tatsächlich noch Leute, die glauben, solcherart geprüfte und entschärfte Hefte wären verderbliche Schundromane?
     Wer schützt eigentlich die Jugend vor den Jugendschützern? Vielleicht sollte ich darüber einmal einen Roman schreiben.
     Aber der wird ja vor der Veröffentlichtung vom jugendschützenden Juristen geprüft …

Historisch belegbare Anmerkung: Dieser Text und der besagte Roman erschienen im Jahr 1997; der Roman ist leider seit langem ausverkauft und im Handel nicht mehr erhältlich. Sorry …

Copyright © 1997 by Werner K. Giesa



Windows-Wunder

Computer sind durchaus keine Erfindung der Neuzeit. Nicht nur die Außerirdischen, die laut Erich von Dänikens schlüssiger Beweisführung schon vor Jahrtausenden als »Götter von den Sternen« die Erde besuchten (und sich wohl laut Werner K. Giesas schlüssiger Beweisführung angesichts der Menschheit mit Grausen abwandten, um diesem Planeten nie wieder einen weiteren Besuch abzustatten), müssen über solch teuflische Geräte verfügt haben – wie sonst, wenn nicht vermittels der Micro$oft-Saftware konnten sie sich ausgerechnet hierher verirrt haben? –, sondern wir Erdenbürger selbst verfügen nicht erst seit Konrad Zuse, sondern spätestens seit dem 17. Jahrhundert unchristlicher Zeitrechnung über derlei Hai-Tech.
     Wie sonst hätte Giesas Zomputa nachstehende Sicherheitsabfrage stellen können? Man beachte das Datum !
     Wenn wir also davon ausgehen, daß Computer sich niemals irren (und das müssen wir, denn einer Computeranalyse zufolge können Computer sich niemals irren), muß die die bezeichnete Datei, die Endfassung der Buchbearbeitung für »Raumschiff PROMET Classic« Nr. 9 »DAS GEHEIMNIS DER NEKRONIDEN« für den BLITZ-Verlag bereits anno 1600/1601 entstanden sein. Worauf sich wiederum die existenzielle Frage stellt, wie Werner K. Giesa, Urheber jener Datei, selbige bereits vor knapp 400 Jahren (oder vielleicht noch viel früher? KREISCH !!! ) erstellen konnte. Ist Giesa etwa der Zeitreise in die Vergangenheit fähig?
     Man sollte ihn einmal zu einem Fäßchen guten Whiskys einladen und anschließend zur Sache befragen. Vielleicht kommen dann noch viel erstaunlichere Dinge ans Tageslicht …

Werner K. Giesa, Oktober 2000



Man wird's mir nicht glauben, wird man nicht … obgleich es die Wahrheit ist, und nichts als die Wahrheit.
     Für die, die's noch nicht wissen: Der Schreiber dieser Zeilen verdient seine Brötchen (und bisweilen auch ein Löffelchen Marmelade dazu) durch das Schreiben von Unterhaltungsromanen unter den Pseudonymen W. K. Giesa, Robert Lamont und ein paar anderen, und er verrichtet sein Tagwerk vorzugsweise nachts. Da herrscht (wenigstens zeitweise) ein wenig Ruhe im Haus, und es kommen keine störenden Anrufe von Redakteuren (»Wann haben Sie das Manuskript denn nun endlich fertig, ich warte sehnsüchtig drauf!« – »Äh, wann kommt denn endlich der Scheck für das letzte Manuskript, darauf warte ich sehnsüchtig!« – »Wir reden von Ihrem neuen Manuskript, nicht von solchen Nebensächlichkeiten …«) und anderen Witzbolden (»Wollen Sie nicht endlich meine Rechnung vom soundsovielten bezahlen? Ich habe keine Lust mehr, Ihnen immer wieder Mahnungen zu schreiben!« – »Ja, dann lassen Sie's doch einfach.«), und die Fantasie kann ausschweifen und mehr oder viel mehr geistreiche Texte zustandebringen. Bis dann morgens früh um halb fünf die ersten Nachbarn erwachen und das durch eine enorm maximierte Geräuschkulisse der Stadt und der Welt mitteilen müssen; urbi et orbi. Was sich dann in unverminderter Dezibelstärke über den ganzen Tag fortsetzt bis abends gegen Mitternacht – müssen die nicht zwischendurch auch mal zum Einkaufen oder zur Arbeit, auf daß es wenigstens etwas leiser werde im Hause?
     Einer der wenigen Vorteile des Schriftstellerdaseins besteht darin, daß ich die wenigen stillen Nachtstunden (still? Nebenan im Feuchtbiotop krakeelen ab Einbruch der Dämmerung die Frösche, und die Versuche, auch ein Storchenpaar wieder anzusiedeln, sind bislang bedauerlicherweise gescheitert) immerhin nutzen kann; einer der vielen Nachteile ist die Unmenge an Leserbriefen, die alle beantwortet werden wollen. Auch dies geschieht in den Nachtstunden. Das Arbeitszimmer ist relativ klein; allein Beleuchtung und PC-Abwärme sowie das wände- und deckendurchdringende Heizverhalten der (deshalb diesmal wohlgelittenen) Nachbarn sorgen zwingend dafür, daß schon etwa ab Mitte Februar bis ungefähr Mitte Novembrrrrr nicht nur auf die Inbetriebnahme der Heizung verzichtet werden kann, sondern das Fenster durchgehend in voller Breite aufgerissen werden muß – anders ist es in dem kleinen Raum vor Hitze nicht auszuhalten, dessen Arbeitsmobiliar sich ähnlich eng um den Autor gruppiert wie das Ferrari-Cockpit um den Fahrer; indessen weit weniger störanfällig. Also: Fenster weit auf, PC ein, Kopfhörer auf (warum bin ich eigentlich so blöd, meine Nachbarn nicht mit Lärmbelästigung zurückzuärgern?), Stereoanlage auf Volldampf, und los geht's. Die Musik aus dem Kopfhörer übertönt dabei das Krakeelen der Frösche aus dem ein wenig zu nahe gelegenen Biotop, dem immer noch die Störche fehlen … aber das hatten wir ja schon. Immerhin, wenn dann morgens über der mit archäologischen Fundstätten reich bestückten Hügelkette die Sonne aufgeht und unten auf den Wiesen und Weiden um den Bach herum noch der Nebel herumnebelt, ist das schon vom an der Grenze zwischen Ortsrand und pictischer Wildnis gelegenen Haus aus ein prachtvoller Anblick, der fast mit dem Krakeelen der … usw. …versöhnen kann.
     Aber noch ist nicht Morgendämmerung, sondern Nacht und damit Arbeitszeit. Da sind die drängenden Termine für die Manuskriptablieferung, und da sind die besagten Leserbriefe, die beantwortet werden wollen. Daß die von »Robert Lamont« geschriebene, mittlerweile rapide auf Band 600 zugaloppierende Mystery-Heftserie »Professor ZAMORRA« auch über ein dreiseitiges Leserforum verfügt, mindert die Last nicht, sondern vergrößert sie noch; diese drei in kleiner Schrift eng bedruckten Seiten müssen zusätzlich zum Romanschreiben alle zwei Wochen erstellt werden. Allerdings ergibt sich zuweilen die Möglichkeit, Leserbriefe und Antworten bzw. Kommentare in einer Art Dialog zu präsentieren, der manchmal recht flapsig ausarten kann und nicht immer unbedingt ernst zu nehmen ist.
     Trotz des akademischen Serientitels geht es um Fantasy, Science Fiction und Gruseleffekte. Entsprechend farbig sind auch die Zuschriften. Wie in Band 578, wo eine Leserin sich als Vampirin outet und ihren Brief wie folgt beginnt: »Seid gegrüßt, großer Herr und Meister! Darf ein kleiner Blutsauger wie ich es wagen, etwas von Eurer kostbaren Zeit zu beanspruchen?« Antwort: »Na ja, bei der ehrerbietigen Anrede: Zeit schon. Aber kein Blut! Das bleibt gefälligst in meinen Äderchen!« Nach diversem Hin und her meint die Leserbriefschreiberin abschließend: »… werde diesen Brief jetzt beenden und mich mal auf die Jagd nach meinem Abendessen begeben. Schmatz.« Antwort: »Na, dann Waidmannsheil, aber Du wirst Verständnis dafür haben, daß ich Hammer und Eichenpflock bereit halte, Knoblauch vors Fenster hänge und mit Klebeband ein großes Kreuz ans Fenster markiere – ach, jetzt hab' ich's aus Versehen wie ein großes ›X‹ geklebt. Mal sehen, was daraus an Begegnungen resultiert … Traue niemandem!«
     Womit ich mich als Fan der TV-Serie »Akte X« geoutet habe.
     Soweit, so gut oder schlecht.
     Wir erinnern uns: Ich bin bei der Arbeit, es ist Nacht, das Fenster ist sperrangelweit offen, die Nachbarn schnarchen … (von wegen Ruhe! Die haben nämlich auch die Fenster auf. Ich hasse schnarchende Frischluftfanatiker!)
     Plötzlich schwirrt da was durchs Zimmer. Mein erster Verdacht, ein kleiner Vogel habe sich verirrt, kollidiert mit der Uhrzeit – es ist lange nach Mitternacht. Da fliegt kein Vogel nie nicht mehr. Und wir haben hier zwar auch ein paar recht große Flatterinsekten, die etwa Kreditkartengröße erreichen können, wenn sie die Flügel ausbreiten und sich ein wenig anstrengen. Aber dies Viech ist doch etwas größer. Schwirrt wild hin und her und denkt gar nicht dran, durchs offene Fenster wieder nach draußen zu huschen.
     Schließlich läßt es sich nieder. Am Regal mit meinen Belegexemplaren. Klammert sich, Kopf nach unten, am »Trucker-King« fest und klappt die Flughäute eng zusammen. Auf meine Frage nach Name, Adresse, Einreisevisum und Landeerlaubnis kommt nur ein meckerndes »Tschek-tschek-tschek-tschek-tschek«.
     Es handelt sich, mit zusammengeklappten Schwingen etwa in MC-Größe, um ein Fledermäuslein!
     Natürlich ist mein enges Arbeitszimmer nicht unbedingt der geeignete Aufenthaltsort für solch Flattertier. Also versuche ich, es mit dem Roman zum Fenster zu bugsieren und hinauszuschütteln in die goldene, pardon, nachtschwarzhalbmondhelle Freiheit. Womit die Fledermaus nun gar nicht einverstanden ist, wieder startet und erneut durchs Zimmer rast, für vier Runden in einen stationären Orbit um die Lampe geht, um sich dann zwischen kaum genutzter, spinnenumwobener Heizung und deshalb davor aufgebauten Pappkartons zu verschanzen. Auf meine schließlich erfolgreichen Versuche, es wieder hervorzustöbern, kommt erneut das protestierende Gemecker – ich wußte bis heute nicht, wie energisch kleine Fledermäuse schimpfen können!
     Irgendwann habe ich dann probeweise das Licht ausgeschaltet.
     Und – schwupp, irgendwo krachte Miss Fledermaus kurz gegen und war anschließend weg.
     Bis jetzt ist sie nicht wieder aufgetaucht. Schade eigentlich. Ich hätte gegen einen solchen nächtlichen Besucher nicht viel einzuwenden. Fledermäuse, die man in der Nähe unseres Ortes anzusiedeln versucht, machen jedenfalls nicht soviel Krach wie die verdammten krakeelenden Frösche … usw.
     Mir fällt jene Leserin wieder ein.
     Ob sie das war …?
     Um mit FBI-Special Agent Fox Mulder zu sprechen: »I want to believe …«
     Ob er an das Fenster meines Arbeitszimmers dachte, als er seine unsterblichen Worte formulierte: »Die Wahrheit ist irgendwo da draußen.«?
     Wie auch immer, man wird's mir nicht glauben, wird man nicht … obgleich es die Wahrheit ist, und nichts als die Wahrheit.
     Denn, erneut Mulder: »Traue niemandem …!«

Werner K. Giesa, August 1996



Bring Mich Werkstatt

Große Autos sind an sich sehr robust, ob es sich nun um die Flaggschiffe von Cermedes, rAudi, BMW oder sonstwas handelt. Sie werden für wesentlich stärkere Beanspruchung gebaut als VWs Gölfchen oder sonstige unnötigen Kleinwägelchen. [hüstel, grmblhpmghrg, äh ...] Daher geht auch selten was dran kaputt. Allerdings, wenn das doch mal passiert, dann gleich richtig und teuer.
     Letzten Sommer war's die Zylinderkopfdichtung an meinem BMW-Flaggschiff, die zur Undichtung wurde. Typische BMW-Krankheit. Also ab in die Werkstatt, die Dichtung erneuert, eine Menge Geld dagelassen, und weiter geht's mit der Freude am Fahren.
     Etwa ein halbes Jahr lang.
     Wieder mal eine der 300-km-Strecken von Altenstadt nach Lippstadt; immerhin müssen wir uns zwischendurch ja auch mal um unser dortiges Haus kümmern. In der Einfahrt angelangt, schalte ich den Motor ab, und die Check-Control pingt: »Öldruck Motor«.
     An sich kein Grund zur Besorgnis. Diese Meldung kommt schon mal vor, vor allem, weil die BMW-Elektronik dafür bekannt ist, hin und wieder zu spinnen. Am nächsten Morgen starte ich, und im Display erscheint, begleitet von einem lauten »Ping«, die Warnung: »Ölstand Motor«.
     Das ist schon wesentlich ernster zu nehmen. Tatsächlich fehlt Öl, und – unter dem Wagen sind zwei ölige Pfützen!
     Nunmehro geruhen Wir in Unserer Göttlichen Weisheit die Werkstatt anzusteuern. Da bin ich bisher immer sehr gut bedient worden. Nun sehe ich verblüfft, daß in den vier Monaten meiner Abwesenheit die Werkstatt den Besitzer gewechselt hat. Na ja, was soll's, nun sind wir schon mal hier. Der Chef persönlich klappt die Haube auf und stellt sachkundig fest, daß ein Riß in einem Kühlschlauch ist, und zeigt mir den auch. Da quillt's unschön 'raus. »Damit kommen Sie nicht mehr weit«, meint er trocken. »Lassen Sie den Wagen hier, morgen ist er fertig.« Über die Öl-Meldungen wundert er sich.
     »Ich muß allerdings mobil sein«, gebe ich zu bedenken. Okay, Lippstadt verfügt über ein relativ dichtes öffentliches Nahverkehrssystem. Lippstadt verfügt aber auch über Behörden, Amtsstuben und dergleichen, die dermaßen schwachsinnig dezentralisiert sind, daß man zu Fuß unmöglich alle, zu denen man muß, zu Fuß oder per Bus abklappern kann. Abgesehen von Versicherungsbüros, Notaren etc; und so langsam aber sicher müssen wir auch mal anfangen, das Haus zu räumen, damit wir es restaurieren und vermietbar machen können, ehe es zum Faß ohne Boden wird. Für all das eignen sich öffentliche Verkehrtmittel nun gar nicht sehr ...
     Der Chef gibt mir einen Opel Corsa als Leihwagen.
     Dieser Klapperatismus erweist sich für mich als völlig unbrauchbar. Da die Radkästen direkt neben den Pedalen und diese daher versetzt und beengt sind, muß ich schräg in der Scheißkarre sitzen. Atme ich einmal tief ein, herrscht Vakuum im Fahrzeuginneren. Und der sogenannte Kofferraum zwischen Rückbank und Heckklappe erweist sich als nach hinten ausgelagertes Handschuhfach – nix paßt 'rein.
     Am nächsten Mittag – es ist witzigerweise Samstag – bin ich wieder da. Und der Chef hat eine frohe Botschaft zu verkünden: Öl im Kühlkreislauf. Das bedeutet, daß der Motor undicht ist.
     Ich weise darauf hin, daß ein halbes Jahr zuvor die Zylinderkopfdichtung erneuert wurde. Dann, meint er, ist es wohl ein Riß im Zylinderkopf selbst. Auf jeden Fall kann ich mit dem Auto nicht weiterfahren.
     Mit dem Scheiß-Corsa aber auch nicht. Ich bekomme schließlich einen Astra-Kombi. In dem kann ich wenigsten sitzen und atmen. Am Montag dann: Zylinderkopf einzeln für diesen BMW nicht zu kriegen. Bleibt nur, den ganzen Motor zu tauschen. Ich versuche es selbst, telefoniere und strapaziere das Internet; ich hab' ja auch gar nix anderes zu tun. Aber überall dasselbe: Zylinderkopf einzeln – njet. No. Nada. Höchstens brandneu. Lohnt sich aber für ein zehn Jahre altes Auto nicht. Irgendwer rät mir, den Wagen zum Ausschlachten zu verkaufen. Das will ich aber nicht: Im November ist der Bursche ohne irgendwelche Vorarbeiten sofort zu seiner TÜV-Plakette gekommen; die war schneller dran, als ich staunen konnte. Die Substanz des Fahrzeugs ist mithin zu gut, es wegzuwerfen; ein anderer Motor lohnt sich.
     Und auf den läuft es nun hinaus. Im Lippstädter Umfeld ist auch da nichts zu machen; bei uns zuhause stehen gleich zwei Motörchen zur Verfügung. Aber die müßten erst mal nach Lippstadt gelangen. Spedition oder Selbstabholung ... Geld oder Zeit. Beides fehlt mir permanent. Da kommt tags drauf der Anruf der Werkstatt: Da ist ein Motor, gerade 14tausend Kilometerchen jung ...
     »Da fehlt doch eine Null!« befürchte ich.
     Aber sie fehlt nicht; und der Motor, mit Beleg für sein Alter, ist entsprechend teuer. Ich stimme trotzdem zu, harre und hoffe. Derweil summieren sich die Kosten für den Mietwagen.
     Es ist Donnerstag, als der Chef anruft: dieser Motor ist zwei Hubraumnummern zu klein!!!
     Ach, wie schön, daß er das schon gemerkt hat, als er den Motor abholen wollte! Voher hat sich das telefonisch ja nicht erfragen lassen, oder ...? Wir stehen also wieder am Anfang. Und ich überlege: wenn das am Dienstag schon klar gewesen wäre, hätte ich am Mittwoch einen der beiden Motoren aus unserem benachbarten Friedberg mit dem Mietwagen selbst über die rund 300 km herbeiholen können, und die Jungs könnten endlich anfangen ...
     Am Abend habe ich den Chef noch mal am Hörer, und er erzählt mir heiter, daß der Motor ohnehin komplett hätte getauscht werden müssen, weil sich in dem alten auch noch Risse im Motorblock gezeigt haben.
     Was natürlich auch erst jetzt festgestellt wurde! Hätte es den Zylinderkopf solo gegeben, wäre der draufgeschraubt worden, und – nichts hätte sich geändert ... Am Freitag schaue ich mir den Motorblock an, zähle mit: tatsächlich acht mit bloßem Auge erkennbare Risse, die laut Werkstatt ihre Ursache darin haben, daß beim Wechsel der Zylinderkopfdichtung die Bohrungen für die Zylinderkopfschrauben nicht gereinigt wurden und die Schrauben daraufhin den Block aufspalteten. Klingt durchaus logisch, weil sämtliche Risse von diesen Bohrungen ausgehen. Immerhin hat der Chef noch eine positive Nachricht: Im etwa 40 km entfernten Unna hat er einen Motor bekommen, der paßt. Muß nur noch geholt werden und soll dann am Montag eingebaut werden.
     Derweil kostet der Mietwagen weiterhin Geld.
     Wenn der ganze Scheiß zuhause passiert wäre: kein Problem. Da habe ich den Zweitwagen und könnte mir mit der Motor-Geschichte alle Zeit der Welt lassen. Hier in Lippstadt ist aber nix; den Drittwagen, den Väterchen mir verkaufte, als er merkte, daß er selbst nie mehr würde fahren können, hatte ich ein halbes Jahr nach seinem Tod verkauft. Ohne Katalysator (und ohnehin für mich zu klein) kostete der Kadett-C fast mehr an Schadstoffstrafsteuer als der große BMW mit G-Kat. Also weg damit ... und nun steh' ich da ...
     Am Montag rufe ich in der Werkstatt an, mißtrauisch, wie ich von Natur aus bin. Ja, der Motor sei da, aber vor Donnerstag ... so viel Arbeit und ...
     »Der Chef hat gesagt, er wird heute eingebaut«, beharre ich energisch und weise darauf hin, daß erstens der Mietwagen Geld kostet und ich zweitens schon eine Woche länger als geplant in Lippstadt festhänge; irgendwann muß ich auch zuhause mal wieder ein paar Dinge regeln. Der Chef läßt über seinen Vasallen ausrichten, es würde garantiert Dienstag, ganz bestimmt.
     Mittwoch abend gegen 17 Uhr kann ich den BMW endlich abholen. Nur wird es 17 Uhr 30, bis ich endlich den Schlüssel in die Hand bekomme und mir die Rechnung präsentiert wird. Komplette Barzahlung, wie auf der Rechnung gefordert, kann der Chef vergessen, ich leiste erst mal nur eine Anzahlung, der Rest wird überwiesen. Zwischendurch schaue ich mir mein Auto mal näher an.
     An beiden Vordertüren hängen Dichtungsgummis traurig nach unten. Und der Verriegelungsstift der Fahrertür befindet sich nicht mehr an selbiger, sondern liegt so gelassen wie abgeknackt auf der Mittelkonsole. »Habt ihr die Türverkleidung auch auseinandergebaut?« frage ich verärgert.
     »Nein, aber wir hatten Schwierigkeiten, die Tür aufzumachen.« – »Wieso denn das?« – »Die Batterie war leer.« (Na gut, die Zentralverriegelung läuft hier nicht über Hydraulik, sondern über Strom. Aber:) »Wie!so! war! die! Bat!te!rie! leer!?« will ich genervt wissen. Nun stellt sich heraus, daß die gar nicht leer war, aber immerhin abgekoppelt; logisch, wenn der Motor 'raus muß. Indessen: Wieso schließen diese Trottel den ohnehin nicht klaubereiten Wagen ab, der zudem in der geschlossenen Firmenhalle steht? Und was ist nun mit den Türgummis? Der Chef schwört Stein und Bein, das sei vorher schon so gewesen. Das wüßte ich aber, hätte mir doch auffallen müssen. Immerhin gehöre ich zu den wenigen Leuten, die vor dem Start erst mal um's Auto herumgehen und eine zumindest optische Kontrolle durchführen. Und wenn da was 'runtergehangen hätte, wäre mir das aufgefallen – so wie eben jetzt auch. »Da kann ich nichts machen, nur die Enden abschneiden.« Gesagt, getan. Und noch einen Tip gibt er mir auf den Weg: »Den gerissenen Kühlschlauch haben wir erneuert, aber vermutlich werden die anderen demnächst auch reißen. Weil da das Öl im Kühlkreislauf war und das Material vermutlich beschädigt hat.«
     Herzlichen Dank für diesen Hinweis! Warum habt ihr Trottel dann diese Schläuche nicht gleich mit erneuert oder zumindest angefragt, ob, weil ...? Auf die paar Euro wär's bei der hohen Gesamtrechnung ja nun wirklich nicht mehr angekommen!
     Nun gut, der Wagen fährt wieder – nach dreizehn Tagen Werkstattaufenthalt!!! –, und der Motor ist etwa 30tausend km jünger als der originale, sieht aber wesentlich verdreckter aus. Für eine Motorwäsche war wohl auch keine Zeit ...
     Fest steht: unter der alten Firmenleitung wäre das alles zügiger und besser abgelaufen. Weshalb mich diese neue Firma nie wiedersehen wird. – Was die Risse im Motorblock angeht, die scheinbar auf die Reparatur vor einem halben Jahr zurückzuführen sind – da werden wir mal sehen, was zu erreichen ist ...

Werner K. Giesa, April 2002



»Kenne Mann bei TUFF«

Der Tragödie erster Teil

Man kann nicht immer auf der Siegerstraße sein. Manchmal muß man auch mal auf die Schnauze fallen. Was in diesem Fall gleich zweimal hintereinander passierte. Beide Male mit Opel. Wir brauchten zeitweise einen möglichst großen Kombi, Volvo war zu teuer und in unserer Gegend kaum zu bekommen, Ford Scorpio desgleichen, Chevrolet der Ersatzteilversorgung wegen zu exotisch, und für meinen Favoriten Ford Granada gibt’s bis heute keinen geregelten Katalysator, abgesehen davon, daß es kaum noch Granadas gibt. Also blieb nur Opels Omega-Caravan, die rollende Kathedrale. Vier Personen und zwei Rollstühle paßten allemal bequem hinein.
     Aber beide Fahrzeuge waren Rostbomber. Beim ersten wollte nach anfänglichem, immer stärker werdenden Pochen schließlich die Hinterachse in den Laderaum hinaufklettern, weshalb der Wagen auf den Schrott mußte – Reparatur hätte den Zeitwert bei weitem überschritten. Ein zweiter Omega wurde gekauft in der Hoffnung, daß der länger hielte. Was er indessen nicht tat. Selbst der Zündschlüssel rostete, der Wagen litt permanent unter irgendwelchen technischen Defekten und mußte immerhin zweimal abgeschleppt werden. Die Anhängerkupplung, vom ersten Schrottopel übernommen und an den zweiten montiert, erwies sich zwar wie die große Ladekapazität während der Räumung des von den verstorbenen Eltern ererbten Hauses, das wir verkauften, als nützlich, weniger nützlich war hingegen der Wassereinbruch durchs Schiebedach im Januar 2003, der aus dem Wagen ein rollendes Hallenbad machte. In der Folge dauerte es der Wetterlage halber ein paar Monate, das Vehikel wieder einigermaßen trockenzulegen.
     Aber die TÜV-Fälligkeit rückte näher und näher – Mai 03 –, und da wir nicht noch mehr Geld in ein Faß ohne Boden investieren wollten – die Reparatursummen hatten inzwischen annähernd den ursprünglichen Kaufpreis erreicht, und das innerhalb eines einzigen Jahres –, erging der Beschluß, daß der Opel weichen muß.
     Also bot ich ihn zum Verkauf an Bastler an – für die Hälfte des Kaufpreises ein Jahr vorher, mit dem Hinweis auf TÜV-Fälligkeit und Rost an tragenden Teilen, für dessen Behebung allein meine Werkstatt schon 600 Neuro veranschlagte. Gleichzeitig spielte ich mit dem Gedanken an Afrika-Export und begann ein paar kleine Connections zu reaktivieren.

Der Tragödie zweiter Teil

Einer unserer Hausnachbarn, wohl persischer Abkunft und von mir deshalb scherzhaft als »Teppichhändler« bezeichnet (einem anderen Nachbarn gegenüber gab er sich als Türke aus, einem dritten als Italiener, und da mir sein Name einfach unaussprechlich ist, kam es zu jener alles andere als rassistisch gemeinten Bezeichnung), ist Kurierfahrer für »Hermes«, hat drei Kinder und eine Frau zu ernähren, besaß anfangs immerhin gleich zwei fahrbare Untersätze, von denen er den ersten, einen »Beulensammler«, schon wenige Woche nach seinem Einzug in diesem unserem Hause abmeldete, wohl der TÜV-Fälligkeit oder anderer Gebrechen wegen. Eine Zeitlang fuhr er dann mit dem Zweitwagen, einem 730er BMW in Militärgrün; mithin waren er und ich fahrerisch gesehen die »Bonzen« in unserem Ortsteil. Aber während Giesas BMW-Flaggschiff topfit gehalten wird – hat schließlich einen Haufen Geld gekostet! –, verlotterte des Teppichhändlers 7er immer mehr. Selbst bei Regen das Fenster der Fahrertür offen, meist auch das Schiebedach auf Kippstellung – schließlich löste und senkte sich der Dachhimmel, also die Dachinnenverkleidung, schon bedenklich. Während er mit Familie und Hermes-Firmenwagen in Urlaub war, wurde ihm der BMW amtlich zwangsstillgelegt. Weil da wohl ein Bankkredit drauflag und er die Raten nicht bezahlen konnte; als Kurierfahrer verdient man ja nicht unbedingt zwanzig Millionen Neuro im Jahr, sondern eine fast unbedeutende Kleinigkeit weniger; die Wohnungsmiete zahlt ihm das Sozialamt.
     Interessanterweise stand der Wagen dann – etwa ein Jahr lang – stillgelegt auf einem Parkplatz, der einem anderen Wohnungseigentümer gehört. Was natürlich über kurz oder lang Ärger gab; die Hausverwaltung beschritt schließlich den Klageweg, um das Fahrzeug zu entfernen.
     Eines Tages kam der Teppichhändler auf mich zu: »Wolle Sie habe BMW? Für Ersatzteile vielleicht? Hat gute Reifen.«
     Um Himmels Willen. Seine Reifen hätte ich an meinem BMW nicht mal montieren dürfen – zu kleines Format und bei meinem Flaggschiff wegen der weit höheren Endgeschwindigkeit überhaupt nicht zulässig. Und der Rest? Was soll ich damit?
     Nun ja. Irgendwann kam der Schrotti und holte sowohl den durchfeuchteten 7er als auch den Beulensammler ab. Ein paar Wochen vorher hatte unser Hermes-Kurier noch angedeutet, er wolle das verbeulte Vehikel wieder fit machen und übern TÜV bringen, damit seiner Frau damit fahren konnte. Völlig unrealistisch; der Wagen war bereits über 2 Jahre abgemeldet, mithin der Fahrzeugbrief erloschen; eine Vollabnahme beim TÜV wäre fällig gewesen, und die hätte er keinesfalls bezahlen können. Abgesehen von den längst platten Reifen, dem Rost und anderen Kleinigkeiten; ein Auto, das permanent steht, wird dadurch ja nicht besser. Nunmehr verfügte unser Teppichhändler also nur noch über seinen Firmenwagen.

Der Tragödie dritter Teil

Welcher ihm schließlich von seinem Chef auch weggenommen wurde. Alldieweil er da innerhalb eines Jahres dreimal mehr Beulen ‘reingeknallt hat als ich in fast 30 Jahren Autofahrerdasein.
     Ende April komme ich gerade vom abendlichen Einkauf heim. Der Teppichhändler, noch mit Firmenwagen, aber angesichts des dräuenden Verhängnisses, spricht mich an: »Sie habe doch großen Kombi. Vermieten Sie mir für eine Woche? Firmenwagen muß repariert werden in nächsten Tagen.«
     Bin ich des Wahnsinns nackter Kofferträger? Dem Mann mein zumindest optisch noch fittes Auto vermieten, damit er mir da auch Beulen ‘reindonnert und ich den Wagen hinterher noch schlechter verkaufen kann? Außerdem darf ich gar nicht vermieten, weil ich dafür keinen Gewerbeschein habe. Also mache ich ihm klar: »Vermieten nicht, aber ich will das Auto verkaufen. Wenn Sie es haben wollen?«
     »Welche Preis?«
     Ich nenne ihm die Summe – und da ich weiß, daß er nicht besonders gut bei Kasse ist, reduziere ich meine eigene Preisvorstellung schon mal. Er versucht auch erst gar nicht, noch weiter ‘runterzuhandeln. »Kann ich Auto sehen?«
     Klar kann er. Schaut es sich an, öffnet die Motorhaube, startet die Maschine, testet Kupplung und Bremsen, macht eine kurze Probefahrt. Ich mache ihn auf die erfolgten Reparaturen aufmerksam – zuletzt die Lichtmaschine ausgetauscht, vorher die Zündkabel, davor dies, davor jenes, und weise ihn auch auf den Rost und die Werkstattkosten hin und darauf, daß im Mai der TÜV fällig ist.
     »Keine Problem, kenne Mann bei TUFF, macht Augen zu.«
     Okay, nicht mein Problem. Ich lege noch den Satz Winterreifen drauf, auf Opel-Felgen, und da ich ohnehin nach zwei solchen Enttäuschungen (früher war ich Opel-Fan, habe vom Kadett bis zum Diplomat alles begeistert gefahren) nie wieder einen Opel kaufen werde, kann ich mit den Dingern eh nix mehr anfangen.
     Ich fertige einen Kaufvertrag an, schreibe ihm ehrlicherweise auch die Rostmängel hinein, und gewähre ihm, daß er das Fahrzeug vom Folgetag an bereits nutzen darf, aber schnellstens ummelden muß. Nutzung allerdings unter der Bedingung, daß bei Unfällen und ordnungs- oder bußgeldpflichtigen Verkehrsverstößen nicht ich verantwortlich bin, sondern er. Vorsichtshalber erkläre ich ihm das alles auch noch mal und frage ihn, ob er das Auto wirklich kaufen will.
     Er will, unterschreibt und kratzt eine Anzahlung von wahrhaftig 50 Neuro zusammen, Restbetrag folgt.
     Die Woche drauf ist bereits Mai. Er kommt an und bringt mir statt des restlichen Geldes die Botschaft, daß das mit der Ummeldung nicht klappt. Bei der Zulassungsstelle, bei der er erst mal, noch ohne den Fahrzeugbrief, nachgefragt hat, wurde ihm gesagt, daß er vorher ‘ne neue TÜV-Plakette braucht. Will ich zuerst nicht glauben – für Mai gilt die doch noch – muß mich dann aber von einem Freund, der bei einer Zulassungstelle arbeitet, belehren lassen, daß es eine Gesetzesänderung gab und die Plakette neuerdings bereits im angezeigten Monat ungültig wird. Zugleich sagt er mir aber, daß das von Behörde zu Behörde innerhalb eines gewissen Ermessensspielraums unterschiedlich gehandhabt wird. Bei ihm hätte man ein Auge zugedrückt. In unserem Landkreis dagegen sind die Obergesetzestreuen. Na schön. Ich frage den großen Meister also, ob er das Auto noch haben will, sonst zerreißen wir den Vertrag und er bekommt seine Anzahlung zurück. Er will das Auto haben. Und ich eigentlich das Geld, aber angesichts seiner finanziellen Situation will ich ihn auch nicht zu sehr bedrängen. Er hingegen bringt den Wagen in kurzen Abständen immer wieder mal für ein paar Stunden in die Werkstatt, um diese oder jene Dinge flicken zu lassen. Natürlich erzählt er mir immer erst hinterher davon, wenn’s schon passiert ist. Ich beginne allmählich zu grummeln: Noch bin ich der Eigentümer des Fahrzeugs, und somit dürfte er ohne meine Einwilligung überhaupt keine Reparaturaufträge erteilen. Mehrmals noch frage ich ihn, ob er das Auto noch will – will er. Falls nicht, darf er aber nicht damit rechnen, daß ich die Reparaturkosten übernehme; ich will das Auto ja verkaufen, aber nicht reparieren lassen. Und wie sieht’s nun mit dem Geld aus?
     Ich setze ihm einen Termin. »Ja, bestimmt, dann ist Auto auch fertig und …«
     Was natürlich nicht fertig ist, ist das Auto. Ich setze ihm einen allerletzten Termin. Einen Tag vorher taucht er mit einem anderen Wagen auf. Als er dann kommt, erklärt er, daß der Opel noch in der Werkstatt ist, aber die TÜV-Plakette hat, aber schon fast tausend Neuro Reparaturen gekostet hat, von denen er erst 280 bezahlen konnte. Klar: die Werkstatt hat wegen unbezahlter Rechnung den Wagen einbehalten. Und er hat sich das andere Fahrzeug von einem Bekannten geliehen.
     Immerhin, er wedelt mit Geldscheinen. Aber »können Sie Auto nicht billiger mache, ist schon so teuer, habe so viel bezahlt und für Rest von Monat gerade noch 50 Euro.« Wir haben Anfang Juni. Ich zeige ihm meinen Kaufvertrag von damals, mit der Summe, die ich ein Jahr vorher für das Auto bezahlt habe, und erkläre ich, daß ich auch so schon mit erheblichem Verlust verkaufe. »Was«, staunt er, »so viel Geld?« Tja, mein Lieber, große Autos sind nun mal teuer. Aber ich gebe ihm noch mal einen Nachlaß und lasse mich auch auf eine Teilzahlung ein, Rest im Folgemonat. Schließlich sollen seine Kinder nicht hungern, und er verdient wirklich verdammt wenig mit seiner Arbeit. Er ist überglücklich, ich gebe ihm den Fahrzeugbrief, vermerke in unseren beiden Ausfertigungen des Kaufvertrags die bereits erfolgte Zahlung und auch die ausstehende Restzahlung, und er drückt mir voller Dankbarkeit (»Ich werde nie vergessen, was Sie für mich getan haben«) eine Flasche Wein in die Hand. Auf selbiger ein Etikett mit »Frohes Fest« und der Adresse seines Brötchengebers. Was soll’s?
     Jetzt kann er also das Auto ummelden, und ich stellte ihm nun auch den Satz Winterreifen vor seine Kellertür. Endlich wieder Platz in unserem Keller! Einen Tag später stehen die Reifen neben der Kellertreppe, allerdings nicht für lange, weil unser Hausobmann ihm bedeutet, daß das nicht so bleiben kann und darf. Jetzt stehen sie in einer anderen Ecke. Aber nicht mein Problem. Der Opel ist verkauft, und selbst wenn der Knabe die Abschlußrate schuldig bleibt, trifft es bei uns nicht unbedingt einen Armen. Wir können’s eher verkraften, auch wenn es ärgerlich wäre; inzwischen haben wir die erste Juliwoche durch und ich warte noch auf die Restzahlung. Aber dämlich wie ich bin, will ich ihn auch nicht zu sehr drängen, ich weiß noch aus eigener Erfahrung zu gut, wie es ist, kein Geld zu haben und nur von Krediten zu leben.
     Auf jeden Fall gebe ich unverzüglich der Zulassungsstelle die »Kraftfahrzeugveräußerungsanzeige« kund mit Nennung des Käufers, und kündige bei der Versicherung den Vertrag. Damit ist der Wagen von meiner Seite her stillgelegt, und der Teppichhändler wird alsbald von der Zulassungsstelle Post bekommen, den Wagen unverzüglich auf sich umzumelden oder die Kennzeichen zwecks Entstempelung vorzulegen. Tut er nichts von dem, wird der Wagen zur Fahndung ausgeschrieben und für den neuen Eigentümer kostenpflichtig zwangsentstempelt. – Nicht mein Problem. Ich bin draußen.
     Der Mini-Van, der er sich von seinem Bekannten geliehen hat und immer noch fährt, hat inzwischen auch schon die erste Beule …

Der Tragödie vierter Teil

Ein paar Tage nach der Fahrzeugbriefübergabe bekomme ich einen Brief von einer mir bis dahin nur von der Landkarte her bekannten Gemeinde. Ordnungswidrigkeit – 13 km/h zu schnell innerhalb geschlossener Ortschaft, 25 Neuro. Das ganze am letzten Mai-Samstagabend um 19:53 Uhr. Zu der Zeit war der Opel schon gar nicht mehr »aktiv«; der Teppichhändler fuhr bereits den Mini-Van. Ich gehe zu ihm ‘runter, zeige ihm den Brief: »Lesen Sie den bitte sorgfältig durch und erzählen Sie mir dann was dazu.« Viel zu erzählen gibt es nicht, er kann den Wagen an dem Tag ebensowenig gefahren haben wie ich. Ich bin da sowieso ‘raus, weil die ganze Nachbarschaft bezeugen kann, daß ich den Opel seit Ende April nicht mehr gefahren habe. Um so ärgerlicher, daß ich diesen Bescheid bekomme. Weil ich zum Tatzeitpunkt offenbar noch als Fahrzeughalter eingetragen war.
     Der Teppichhändler verspricht, sich darum zu kümmern. Zwei Tage später kommt er an und erzählt: Jemand aus der Werkstatt, der gerade jetzt in Urlaub und unerreichbar ist, hat laut Aussage anderer Mitarbeiter eine Probefahrt gemacht.
     Samstag abends um etwa acht Uhr? Welch ein unglaubwürdiger Arbeitseifer …
     Das war garantiert keine Probe-, sondern eine Privatfahrt. So etwas ist zwar illegal, aber bei Werkstätten und Autohändlern gang und gäbe; Kundenfahrzeuge werden fast grundsätzlich für Privatfahrten genutzt. Und in den seltensten Fällen merkt der Kunde das, weil kaum jemand so genau auf den Kilometerstand achtet. Speziell an Sonntagen ist es übrigens recht auffällig, wieviele Fahrzeuge mit dem »roten Kennzeichen« und der Anfangszahl 06 unterwegs sind. 06er sind Händler- und Werkstattkennzeichen. Immer und ausschließlich. Achtet mal drauf, Freunde.
     In diesem Fall aber war natürlich das normale Kennzeichen noch dran, was die Sache noch unauffälliger gemacht hätte – wenn da nicht die Radarfalle gewesen wäre.
     Unser Teppichhändler erwies sich dann erstmals als schlau, indem er die Abmeldung des Fahrzeugs mündlich vordatierte und der Werkstatt klarmachte, daß der Wagen an jenem Samstag schon stillgelegt gewesen sei. Worauf man in der Werkstatt die Abmeldebescheinigung sehen wollte.
     Aber erstens geht die die Werkstatt einen feuchten Kehrricht an, und zweitens gibt es sie nicht. Beziehungsweise gibt es sie erst, wenn der neue Eigentümer die Kennzeichen hat entstempeln lassen bzw. er die Nachricht der Zulassungsbehörde erhielt, daß der Wagen zwangsstillgelegt wurde.
     Immerhin: Da kam wohl leichte Panik auf …

Nachtrag

1. Ein paar Tage, nachdem der Opel in Richtung ATU-Werkstatt verschwand, stieß ich auf einen Zeitungsartikel, in dem von einem weißen Omega-Caravan berichtet wurde, dessen Fahrer Unfallflucht beging. Würde vom chronologischen Ablauf passen: Crash und Auto aus dem Verkehr ziehen ...
2. Der Opel ist bis heute, Februar 2004, nicht wieder aufgetaucht und war auch auf dem ATU-Gelände nicht zu finden.

Werner K. Giesa, Februar 2004



Deutsches Sprache – schweres Sprache

Zuweilen kommt man doch schwer ins Staunen. Nicht nur, wenn an einer Ladentür groß das Schild »Geöfnet« prangt oder »Gans frische Ware« angepriesen wird. Das wirkliche Grauen jedoch schlägt im Internet zu, wenn man sich zum Beispiel die Angebote bei »ebay« oder »mobile.de« ansieht.
      Ahnungslos wollte ich im vergangenen Jahr einfach mal schauen, zu welchen Preisen die ehemaligen BMW-Flaggschiffe just gehandelt wurden. Und so fiel mir bei »mobile.de« nebenstehendes Angebot auf.
     Anfangs geht's ja noch, weil man beim Erstellen des Angebots da nur vorgegebene Begriffe anklicken muß. Aber bei »Beschreibung« geht's dann richtig in die Vollen.
     Aber nun ja ... solange nur der rükwerzgang defegt ist, geht's noch ...

Nicht minder interessant ist es bei »ebay«. Dort fand sich folgendes Angebot:


bmw 750 ,220 kw,5 L hubraum, automatik, vollausstatung, g-kat, servo, zentralferigelung - wegfahrspeere - alarm mit vernbedinung ,abnembare anhängerkupplung ,nivoregulirung ,leder ,
klima ,tempomat ,wurzelholz ,
bordcomputer,alles elecktrich spiegel- fensterheber - schiebedach und sitze ,700 watt musik anlage radio mit cd, 17 zoll brock b1 felgen spurverbreiterung radleufe gezogen, tiefer, sportfahrwerg, schwarz verspiegelte scheiben ,empleme entfernt, weise blinker, schwarze heckleuchten,alles eingetragen sonderlackirung schwarz matt leich glänzent ,schadoline alles in wagen farbe tüv 9/2005 unfall schäden ist mir nichts bekannt,kein rost,leuft supper top zustand ganz kleine lack mängelchen felgen müssen am fahrzeug noch eingestelt und gewuchtet werden,klima mus befült werden ,sonst top, supper power er ist zugelassen und muss spätestens 5 tage nach auktions ende abgeholt und bar bezahlt werden..

     Also, Leute, am besten gefallen mir ja die Wegfahrspeere und die weisen Blinker. Sowas will ich auch haben! Gibt's das auch einzeln, ohne das Auto?

Werner K. Giesa, Juni 2005



Kinder, Kinder ...

Für alle, die noch keine Kinder haben oder gerade am »Basteln« sind ... überlegt es euch noch mal gut !!!!
Für alle, die schon Kinder haben ... zu spät ...

Die folgende Liste stammt von einer Mutter aus Austin, Texas/USA, die anonym bleiben möchte.

WAS ICH VON MEINEN KINDERN GELERNT HABE

1. Ein großes Wasserbett enthält ausreichend Wasser, um ein Haus von 180 Quadratmetern 10 cm hoch unter Wasser zu setzen.
2. Wenn man Haarspray auf Staubbällchen sprüht und mit Inline-Skatern darüber fährt, können sich die Staubbällchen entzünden.
3. Die Stimme eines Dreijährigen ist lauter als 200 Erwachsene in einem vollen Restaurant.
4. Wenn man eine Hundeleine an einem Deckenventilator befestigt, ist der Motor nicht stark genug, um einen 20 Kilogramm schweren Jungen, der Batman-Unterwäsche und ein Superman-Cape trägt, rundherum zu befördern. Die Motorkraft reicht dagegen aus, wenn ein Farbeimer am Ventilator hängt, die Farbe auf allen vier Wänden eines 6 x 6 Meter großen Zimmers zu verteilen.
5. Man sollte keine Baseball-Bälle hochwerfen, wenn der Deckenventilator eingeschaltet ist. Soll der Deckenventilator als Schläger verwendet werden, muß man den Ball einige Male hochwerfen, bevor er getroffen wird. Ein Deckenventilator kann einen Baseball-Ball sehr weit schlagen.
6. Fensterscheiben (selbst Doppelverglasung) halten einen von einem Deckenventilator geschlagenen Baseball-Ball nicht auf.
7. Wenn Sie die Klospülung hören, gefolgt von »Oh weia«, ist es schon zu spät.
8. Eine Mixtur aus Bremsflüssigkeit und Domestos erzeugt Rauch, viel Rauch.
9. Ein Sechsjähriger kann mit einem Feuerstein eine Flamme erzeugen, auch wenn ein 36jähriger Mann sagt, daß das nur im Film möglich ist. Und mit einer Lupe kann man selbst an verhangenen Tagen Feuer machen.
10. Einige Legosteine können das Verdauungssystem eines Vierjährigen passieren.
11. Knetmasse und die Mikrowelle sollten niemals im gleichen Satz erwähnt werden.
12. Kraftkleber hält ewig.
13. Egal, wie viel Götterspeise man in den Swimming Pool tut, es ist nicht möglich, über das Wasser zu gehen.
14. Poolfilter mögen keine Götterspeise.
15. Videorecorder spucken keine Sandwiches aus, auch wenn das in manchen Werbespots im Fernsehen gezeigt wird.
16. Müllbeutel sind keine guten Fallschirme.
17. Murmeln im Tank machen beim Fahren eine Menge Lärm.
18. Sie möchten lieber nicht wissen, was das für ein Gestank ist.
19. Schauen Sie immer in den Ofen, bevor Sie ihn anstellen. Plastikspielzeuge vertragen den Ofen nicht.
20. Die Feuerwehr in Austin, Texas, ist innerhalb von 5 Minuten da.
21. Regenwürmern wird vom Schleudergang der Waschmaschine nicht schwindelig.
22. Katzen dagegen wird sehr wohl schwindelig.
22. Wenn Katzen schwindelig ist, erbrechen sie das Doppelte ihres Körpergewichts.

Aus dem Internet



Des Uhus 90. Geburtstag

»Dinner for one« oder der 90. Geburtstag …

Am 11. Mai 1917, also vor 90 Jahren, erblickte mein alter Freund und Lehrmeister Kurt Brand das Licht der Welt.

Tja ... und damals, als er noch lebte, waren wir jedes Jahr in Caldaro in Südtirol, um ihm zu gratulieren und mit ihm zu feiern. Wir, das bedeutet eine kleine Clique verrückter Cowboys aus dem hessischen Kassel und ich aus dem westfälischen Lippstadt. Später, als ich heiratete und die giesa'sche Operationsbasis das hessische Altenstadt in der Nähe von Frankfurt/M wurde, war auch Heike immer mit dabei.
     Ich entsinne mich immer wieder gern an einen Streich, den wir ihm da mal gespielt haben. Hexen-Hermann von Allwörden, der sich immer mehr zum Negativen entwickelt, war da mit von der Partie. Vorher hatte Kurt spitzgekriegt, daß von Allwürgen an der Küste lebte, und ihn beauftragt, einen schönen fetten Aal mitzubringen. Dies tat jener. Und als Rolf, Peter, Hans und Allwürgen von Kassel kommend bei uns Station machten, um 6 Leute bequemer auf zwei Autos aufzuteilen (Heike & ich waren ja auch dabei), entstand der glorreiche Plan.
     Der schöne, fette Geburtstagsaal blieb latürnich in der Kühltasche, das Eis wurde bei uns erneuert, und einer von uns besorgte eilends einen mageren, krüppeligen Aal – gerade trotz vor-langer-Zeit-Geräuchertwordensein direkt am Verfallsdatum –, der wahrscheinlich schon verhungert war, als er in die Reuse gelangte. Der kam in Papier gewickelt und in Plastiktüte, vorsichtshalber luftdicht verschlossen, auf die Hutablage, wo die Sonne am schönsten draufknallte. So reisten wir nach Caldaro.
     Kurt wartete im Rahmen seiner Bierpatrouille bereits an dem Hotelchen, das fast komplett für uns reserviert war. Aber wir fuhren nicht gleich dahin, sondern erst mal zu seiner Gefährtin Maria Steinmetz, weihten das Luder in den Plan ein und lieferten den richtigen Aal da ab, den Steinmetz mit tückischem Grinsen im Kühlschrank verschwinden ließ. Wir fuhren dann zum Hotel, Kurt half munter beim Einchecken, und Allwürgens ansichtig werdend, fiel ihm ein: »Habt ihr auch an den Aal gedacht?«
     Wir schauten uns alle ganz erstaunt an, bis einer von uns sich vor die Stirn schlug. »Ach ja, dein Aal …« Holte die durchgewärmte Plastiktüte von der Hutablage und drückte sie Kurt in die Hände. Der bekam Augen so groß wie Flakscheinwerfer, riß erschrocken die Tüte auf – eine faulige Dunstwolke und der ungenießbare Krüppelaal kamen ihm entgegen.
     Schöner kann kein Feldwebel auf dem Exerzierplatz brüllen. »WAS! HABT! IHR! MIT! MEINEM! FISCH! GEMACHT!«
     Er war richtig stinksauer, so wie der Stinkfisch. Ob er ihn mitgenommen oder gleich in den Müll geschmissen hat, weiß ich nicht mehr, aber er war dann ganz schnell und wutschnaubend auf und davon. Der Kurt, nicht der Fisch.

Am Abend, als wir ihn in seinem Keller (O-Ton Jahre zuvor bei unserer ersten Besichtigung: »So leben Maulwürfe«) heimsuchten, grinste er uns kopfschüttelnd an. »Da habt ihr mich ja gewaltig drangekriegt, ihr Lumpenhunde!« Und zur Strafe hat er uns nicht mal ein ganz kleines Stückchen angeboten, als er dämonstrativ anfing, das fettriefende Biest zu verputzen.
     Ich könnt' mich heute noch beeumeln über die Story …

Jedenfalls wurden es noch ein paar wilde Tage, untermalt von einer Engelserscheinung und dem Einfangen permanent flüchtiger Suffköppe. Die hatten Talsperre gespielt (»Wwwir ham Wwwein gedrunken«, aber jedweder entschieden mehr als nur einen »wänzigen Schlock« …), während Heike und ich zu Laurins Rosengarten fuhren. Und weil Caldaro ein kleines Dorf ist, grinste Kurt mich anschließend an: »Man erzählt sich überall, daß du eine Horde Besoffener zum Hotel kutschiert hast.«
     Es war sein 70. Wurftag damals, mit einem Riesenfest im Hotel »Seeleiten«, in dem übrigens bei der damaligen WM im Vorjahr auch unsere Fußballmannschaft logiert hatte, als es darum ging, den Spaghettis eins überzubraten.
     Lang ist's her … und es war schön, ihn gekannt zu haben.

Die Sache mit der Engelserscheinung ist eine ganz andere Geschichte und wird bei Gelegenheit erzählt werden …

Copyright © 2007 by Werner K. Giesa





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