DRACULORD


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Rolf Michael
»Ihr sollt nicht lachen! – Ihr sollt euch fürchten!«
- Die cineastischen Produkte der Herren Lamont –

Wir beginnen mit einem Streifen, der in der Handlung meines vorletzten ZAMORRA-Romans »Der Seelenwächter« eingepaßt wurde. Am Schluß der Handlung erhält dieses cinematographische Meisterwerk endlich den ihm eigentlich zustehenden Oskar … obgleich der Film sonst mit Zitronen gehandelt wird. Und in der Roman-Handlung schlägt unser Film bei der Oscar-Verleihung sogar eine Spielberg-Produktion, was den alten Herrn des Telefonfreaks mit den Glubschaugen milde lächeln läßt. Alles nur Kino hier … alles nur Heft-Roman da.
     Der Titel dieser wahren »Monster«-Produktion ist

DRACULORD

Alles begann damit, daß sich Werner eine Film-Ausrüstung zulegte. Und nachdem er einige Zeit seine beiden Katzen Nicky und Lady im Garten gefilmt hatte, fühlte er sich zu höheren Künsten des Zelluloid-Theaters berufen. Als Profi-Schriftsteller wollte er eine Art Film über sich selbst und seinen Berufsstand drehen, den er dann auf Horror-Cons zeigen wollte – damit die Leute dort wissen, was wahrer Horror ist. Den wahren Horror kennt das Grusel-Fandom aber erst seit einiger Aufführungen des »Pferdeknecht« mit seinen Opern-Partien, in denen meine gottvolle Stimme mit denen von Domingo, Carreras und Pavarotti wetteifert … ahem … ach ja, Werner und Hexen-Hermann gehören beim »Pferdeknecht« auch mit zum Ensemble und singen in der Opernfassung selbstverständlich auch mit. Trauert, ihr Nachgeborenen, daß euch dieses früher auf jedem Con dargebotene kunstvolle Weltereignis heute nicht mehr geboten wird …
     Also, Werner wollte einen Film ohne durchgehende Spielhandlung drehen, in dem doch genug Action war. Erfahrungen hatte er bei einem Film-Projekt an der Uni Paderborn gesammelt. Gesehen habe ich ihn nie, aber es soll ein Science Fiction-Film gewesen sein, der im Rahmen des Studiums gedreht wurde. Immerhin war Werner sehr lange Zeit Student an der Universität zu Paderborn, bevor er endgültig die Schreibe zum Beruf gemacht hat.
     Das Jahr habe ich vergessen und es war irgendwann im Sommer, als Weh Kah in Helleböhn anrauschte und Hans Klipp, Michael Müller und mich, also die alte ANTARES-Crew, um Mithilfe für sein Film-Projekt bat. Nun gibt es ja nichts, was ein deutscher Soldat nicht kann (auch wenn Hans und Mülli nicht gedient haben) und wir sagten zu, vor und hinter der Kamera zu agieren. Einige Damen zur Verschönerung der Szenerie mußten auch organisiert werden. Also glühten noch am Abend die Telefondrähte. Naja, die Geli konnte am nächsten Vormittag und Hans Klipps Schwester Karla würde mit ihren Freundinnen am Nachmittag dabei sein. Nicht optimal, aber besser als gar nichts.
Seine Draculordschaft in persona, nebst Bonsai-Panther Nicky      Eigentlich wußte keiner so recht, was Werner für einen Film machen wollte. Dennoch wurden Treffpunkte im Bergpark Wilhelmshöhe ausgemacht. Immerhin hat ja an einem Samstag jeder was anderes vor und so konnten wir die Schauspieler, die eigentlich keine waren, nur stundenweise vor die Kamera bekommen. Außerdem mußten wir die Girlies noch kutschieren, weil die damals noch nicht über Autos und sonstige motorisierte Fortbewegungsmittel verfügten.
     Die ersten Einstellungen des Films »DRACULORD« sah die beiden Herren Lamont persönlich in der Darstellung zweier für sie maßgeschneiderter Charakterrollen. Michael Müller, Semi-Profi in allem, was mit Fotografieren und ähnlichem Teufelswerk zu tun hat, bannte das ganze dramatische Geschehen mit seinem Zauberkasten auf Zelluloid.
     Zu ungewohnt früher Stunde (Werner arbeitet bekanntlicherweise in der Nacht und steht selten vor dem Nachmittagskaffee auf) fiel im Kasseler Bergpark Wilhelmshöhe an der Löwenburg die Klappe für die ersten Szenen des Films »DRACULORD«.
     Die Löwenburg bildete den Hintergund für verschiedene Einstellungen aller unserer Filme. Und da sie eine beliebte Sehenswürdigkeit ist, mußten wir früh genug an der Burg sein, damit uns nicht die Touristen durchs Bild liefen.
     Die wenigen frühen Spaziergänger schüttelten den Kopf, als sie einen schwarzbärtigen Herrn im Frack und Zylinder wie weiland Johannes Heesters nach einer durchzechten Nacht gemessenen Schrittes aus dem Tor der Burg kommen sahen. Vor der Zugbrücke hielt ein Dämonenwesen Wache und präsentierte militärisch die Hellebarde (naja, man hat ja mal gedient …). Dann hieß das Kommando: Schnitt! – und Michael Müller hielt die Kamera an. Denn jetzt mußte sich der Dämon umziehen. Neue Maske, neues Fell, neue Waffe … und so weiter. Aber immer der gleiche Dämon im Inneren der Kutte. Dämliche Frage, wer das war? So hatte ich das Vergnügen, alle Dämonenrollen selbst zu übernehmen. Außerdem war da noch ein Roboter, den ich mit der Grazie eines Pinocchio doubeln mußte. Also viermal die Rolle verschiedener Dämonen und einmal die Charakter-Rolle des Roboters. Das alles vor dem Frühstück, dazu ständiges Drehen und Wenden der Kleidung, da unser Kostümfundus doch etwas begrenzt war, die Umhänge aber innen eine andere Farbe hatten als außen. In jeder Szene ein Wechsel der Waffen und neue Latex-Maske – das macht einen schön kaputt. Humphrey Bogart hätte wahrscheinlich vor Frust die Jahresproduktion von Jack Daniel's in sich hinein geschüttet. Ich wurde von Werner auf ein kühles Bier am Abend vertröstet, was er dann auch anstandslos bezahlte.
     Kurz zur Story des Films, in die ich diverse Episoden der Dreharbeiten mit einbaue.
     Draculord ist ein Schriftsteller, der zwischen den Realitäten lebt und eigentlich die finanzielle Lebensversicherung für einen Zunftgenossen des Freud'schen Apostelkreises wäre. Aber wer identifiziert sich nicht mit seinem Beruf, wenn er wirklich Freude daran hat? In der Einstiegsszene verläßt Draculord sein von Dämonen bewachtes Märchenschloß. Ein Roboter fährt seinen Wagen vor und mit diesem gleitet er wieder hinüber in die eigene Welt ohne Illusionen.
     Eine Welt in einer Dimension, in der nur sein Körper zu Hause ist, nicht aber sein Geist. Zwar fährt Draculord im komfortablen Auto durch die Gegend, telefoniert mit Verlagen wegen der Honorare und schreibt seine Stories (seltene Aufnahmen aus Werners damaligem Privat-Bereich). Aber da Draculord der Beton-Horror unserer Welt zu trist ist, träumt er sich ähnlich wie einst der selige Karl May immer wieder in die Welten der Fantasy, wo seine Stories Realität werden. Und in denen ist er selbstverständlich der Held. Alles, was er beschreibt, muß er hier in jenem selbst herbeigedachten Wolkenkuckucksheim selbst erleben … und manchmal auch erleiden.
     Als erstes führt Draculord selbst die Opferung einer Jungfrau durch. Sein Opferdolch kreist über einem Mädchen, das auf einer Steintreppe liegt, hinter der sich eine düstere Grotte wölbt, in der sich früher das grausige Standbild Plutos, des Herrn der Unterwelt befand. Jetzt wartete ein Reserve-Dämon darin auf sein Stichwort. Geli wußte sicher nicht, in welcher Gefahr sie sich befand, als sie vor Werner ihre Glieder streckte und unter ihrem T-Shirt die kleinen, festen Brüste … hach, die Geli war wirklich ein hübsches Appetithäppchen. Nein, nicht daß sie bei Werner in Gefahr war, der den Dolch über sie hielt. Aber hinter ihm tauchte der beschworene Dämon auf und ratet mal, wer unter der Latex-Maske steckte. Crom verfluche es, daß man mich diese Rolle nicht mal so richtig ausspielen ließ, wie der Dämon gnädig das Opfer annimmt, um es dann zu nehmen. Aber dann wurde ein Blitz eingeblendet (Fotoapparat) und der Dämon hatte drehbuchgerecht zu verschwinden. Also, ein Schwenken des schwarzen Umhangs wie Bela Lugosi in seinen besten Tagen und dann der Abgang ins Dunkel. Kritische Beobacher wollen festgestellt haben, daß sogar unter der Latexmaske die Enttäuschung erkennbar ist, daß der Dämon nicht das Opfer in die dunkle Grotte zerren durfte. Schnitt – Aus – Gestorben. Zurück bleiben die Erinnerungen an einen mit engem T-Shirt und heißem Höschen bekleideten wohlproportionierten Teenager-Körper. Den Trick mit dem Gummi-Messer nimmt man im Film leider nicht wahr.
     Draculord zieht weiter durch eine fremde Welt. Daß er mit seinem weißen Anzug schon eine gewisse optische Ähnlichkeit mit Professor Zamorra hat, sei hier nur am Rande erwähnt. Auf seiner Wanderung begegnet er einer bezaubernden Amazone. Wieder eine Parade-Rolle für Geli mit dem heißen Höschen. »Nein, das mit dem Bikini mache ich nicht!!!« Dieser gequietschte Protest klingt mir jetzt noch in den Ohren. Dabei hatte sie einen sehr reizvollen Körper, für den ein Bikini in dieser Rolle die einzig mögliche Gewandung für diese Szene war. Geli im Bikini wäre eine Augenweide geworden, obwohl ich schon während der Dreharbeiten der Meinung war, im Rahmen einer aufgeklärten Zeit mehr Reality in die Fantasy zu bringen. Und da in den Manuskripten des wahren Draculord namens Robert Lamont bei wohlgestalteten weiblichen Wesen aus Gründen der Erotik und der Emanzen-Provokation gern auf unnötige Textilien verzichtet wird, wäre auch der Bikini völlig unnötig gewesen.
Zu schön, um wahr zu sein ...      Bedauerlicherweise bestand Geli darauf, ihre Reize vor unserer Lüsternheit züchtig zu verhüllen, und so mußte sich die ›Requisite‹ was einfallen lassen. Also wurde Angelikas normale Sommer-Kleidung mit Kunstblumen etwas fantasymäßig aufgepeppt. Blumen um die Hüfte und über das T-Shirt … hat sie sich alles selber umgehängt. Wir durften ihr zu unserem tiefen Bedauern nicht helfen, die Blumen um ihre schmalen Hüften zu winden. Immerhin war Angelika so um die Zwanzig und wußte ganz genau, wie ein guter Schneider den Sitz der Garderobe prüft, ob es auch im Schritt nicht zu eng ist und in der Herzgegend nicht drückt.
     Während Draculord in Robin-Hood-Pose mit dem Bogen übt und mit den Pfeilen Fahrkarten schießt, trifft die Amazone mit ihrer Armbrust stets ins Zentrum seiner Schreibe. Naja, Werners Fahrkartenschüsse wären jedem anderen Krieger, dessen Waffe das Schwert und nicht der Bogen ist, auch passiert – wetten, daß Kevin Kostner und Eroll Flynn trotz Robin-Hood-Outfit auf dem Set auch daneben geschossen haben? Und die Armbrust war ohnehin nur ein dekoratives Objekt. Also wurden die Treffer aus ca. 2 m Entfernung auf die Scheibe geschossen. Aber im Film sieht das natürlich echt aus … sogar bei uns.
     Per Pfeilschuß erledigt Geli als Amazone auch einen angreifenden Affen-Dämon. Kameramann Michael Müller wollte auch schon mal üben, wie es ist, wenn man stirbt. Mit Affenmaske und Schaffell unkenntlich gemacht, schlich er sich wie ein Lustgreis um die Säulen eines der kleinen Liebestempel im Bergpark. Ein Dämon, der die hübsche Geli packen will. Aber die hat ja ihre Armbrust und schießt damit sicher wie der heilige Wilhelm Tell. Also, auch Mülli durfte die Kleine nicht befingern. Dagegen mußte er auf Kommando malerisch zusammenbrechen, nachdem wir ihm einen Pfeil zwischen Fellkleidung und Latex-Maske gesteckt hatten. Und dieses Sterbchen machte er ganz hervorragend.
     Und damit ist es für den Filmbetrachter genug mit der Augenweide, denn nach dieser Szene mußte Geli nach Hause. Als Ersatz erschien Hans Klipp. Dadurch kam Action in die Story, denn Draculord hatte nun gegen diverse Gegner aus der Welt des Unheimlichen zu kämpfen (Hans, Mülli und ich, jeder durfte mal mit Werner die Waffen klirren lassen). Natürlich besiegt der Held alle Feinde … bis dann … aber den Schluß-Gag hebe ich für den auf, der den Streifen mal zu sehen bekommt.
     Die Dreharbeiten des »Draculord« waren mit Ausnahme diverser Dinge, die in unserer realen Welt spielen und die Werner alleine in Lippstadt und Paderborn drehte, an einem Tag abgeschlossen. Die Drehorte Löwenburg, Steinhöfer Wasserfall, Herkules und Merkurtempel liegen wenige hundert Meter auseinander. Und überall fanden Zweikämpfe statt. Jeder vom Team durfte sich mit Werner im archaischen Kampf messen. Auch Michael Müller, unser Kamera-Mann, trat ihm mit der Streitaxt gegenüber. Der Kampf fand an einem Felsabhang statt, und Mülli mußte öfters daran erinnert werden, daß dieser Kampf nicht real sei und er Werner weder erschlagen noch den Abhang herunter stürzen dürfte. Immerhin sollte Monsieur Lamont am Abend noch ein Bier ausgeben. Hans wählte als Waffe die Hellebarde. In einem tunesischen Gewand sah er aus wie Hadschi Halefs Oma, und weil es der letzte Kampf war und der Abend schlechtes Kameralicht abgab, durfte er rasch sterben.
     Ich hatte das Vergnügen, den Hauptkampf zu liefern und mit Draculord die Klinge zu kreuzen. Klar, daß ich gegen den Helden zu unterliegen hatte und unter der Rubrik ›Es starben‹ geführt wurde. Der Schwertkampf wurde recht malerisch in Szene gesetzt. Den Hintergrund bildete der romantische Steinhöfer Wasserfall. Das ist ein Felsareal, mit Moos und Farnen überwuchert, durch das normalerweise kleine Rinnsale den Weg zu Tal finden. Doch wenn hinter dem Herkules die Schleusen geöffnet werden, damit unten am Schloßteich die neun Meter hohe Fontäne aufsteigt, dann rauschen die Wassermassen auch über den Steinhöfer Wasserfall und machen ihn zum Mini-Niagara. Aber wir drehten außerhalb dieser Dusch-Zeiten.
     Mit Pelzweste und freier Heldenbrust stellte ich einen wilden Barbaren dar, der gerade drei Sklavinnen unter seinen Willen zwang. Die Sklavinnen, das war ein dilettierendes Damen-Trio, das besser zu Hause geblieben wäre. Aber nun waren sie schon mal da und wurden in die Handlung mit eingebaut. Sie lagen halb auf dem Boden, und der namenlose Barbar tobte unter ihnen wie Tarl Cabot von Gor im Paga-Rausch. Doch bevor die drei Mädels aus der Rolle fallen konnten, erschien Draculord im weißen Anzug. Der Barbar schob eins seiner Opfer rüde beiseite, es verdrehte die Augen wie der sterbende Schwan und damit war der Auftritt holder Weiblichkeit erledigt. Bedauerlicherweise achteten wir bei der weiteren Kameraführung nicht auf die Girlies und so sind sie in einigen Einstellungen noch während der dramatischen Kampfhandlung als unbeteiligte, gelangweilte Zuschauer im Hintergund zu sehen. Andere Spaziergänger natürlich auch, die ins Bild kamen, wenn wir von den Felsen auf den Kampf von oben herab filmten. Weder durch Bitten noch Vorhaltungen waren sie zu bewegen, weiter zu gehen. Nun ja, man sagte uns Kasselänern nach, daß wir stur wie die Ochsen wären.
     Werner stand auf hohem Felsen wie der ›Rächer der Kanalarbeiter‹ und ein guter Schnitt sorgte dafür, daß es so aussah, als ob er vom meterhohen Felsen herunter sprang. Real hätte er sich bei diesem Hüpfer alle Gräten gebrochen. Und Stuntmen gab es keine. Also mußte per Schneidetechnik getrickst werden.
     Dann begann der Kampf mit zwei Schwertern, die im sonnigen Spanien als Dutzendware hergestellt werden. Aldones klirrte gegen den Friedensstifter, und es gab wieder einige Kerben mehr in der eisernen Schneide. Doch vor dem Kampf kam uns ein genialer Einfall, wie man Brisanz in die Aufnahmen bringen konnte. Geschickt, wie wir waren, wurden die Klingen während des Kampfes langsam aber präzise geschlagen. Dafür lief die Kamera mit halber Geschwindigkeit. So kam es, daß ein furioses Duell draus wurde.
     Werner machte als Held im weißen Anzug, der schon den künftigen Zamorra vorausahnen ließ, eine gute Figur. Ich stellte die deutsche Antwort auf Conan, den Barbaren dar, dessen Muskelpakete sich jedoch bedauerlicherweise oberhalb der Lenden stauen. Der Kampf mitten im romantischen Szenarium des Steinhöfer Wasserfalls wurde immer wieder vom Wechsel des Kamera-Standortes unterbrochen. Das Kommando »Schnitt« ließ die Kämpfer wie die Ölgötzen so lange verharren, bis der Kameramann sich eine neue Perspektive ausgesucht hatte. Dann kam der Befehl »Action« und der Fight lief weiter. Zwischendurch wurde dann mal in einer spontanen Idee das Schwert aus der Hand geschlagen und auch der Absturz des Barbaren vom Felsen wurde ganz spontan geplant und sofort realisiert. Ich brauchte mich nur einmal nach hinten fallen zu lassen. – Schnitt – Über die Schultern des Helden ist der Barbar zu sehen, der sich verzweifelt an die Felsen klammert – Schnitt – von einer anderen Stelle gefilmt werden riesige Felsen suggeriert – Schnitt – der Held trittt dem Barbaren brutal auf die in den Fels gekrallten Hände – Schnitt (hätte die Bundesprüfstelle im Heft auch gemacht, ein Held hat gefälligst so edel zu sein, seinem Todfeind das Leben zu retten) – kurze Einblendung des Barbaren, der mit gekrümmtem Körper zerschmettert am Fuß der Felsen liegt – Schnitt – ein zufriedener Held, der sich neuen Taten zuwendet …
     Für Auflockerung der geschilderten Szenen sorgte eine Gruppe junger, engagierter Christen, die an diesem Wochenende einen Kongreß hatten. Mit salbungsvollen Worten wurden wir zum Frieden gemahnt. Unsere vom Geist des antiken Heidentums geprägten Antworten sorgten dafür, daß die braven Leute den Horror noch vor Fertigstellung des Filmes hatten.
»Kopf ab, Werwolf!«      Zum Schluß der Dreharbeiten wie auch des Filmes kam noch eine fast gefährliche Szene. Als Werwolf mußte ich Werner mit dem Morgenstern angreifen. Und die Kugel, die da an der Kette schwang, war zwar nicht ausgegossen, aber dennoch aus Eisen und die Spitzen waren auch beängstigend echt. Unter der Latex-Maske des Werwolfs war außerdem kaum was zu sehen und ich hatte echte Bedenken, ihm so eins überzuziehen, daß er glaubte, Old Shatterhand habe ihn geknutscht. So ist dieser Szene viel Rasanz genommen, denn den Morgenstern richtig wirbeln und zuschlagen war nicht drin. Er wurde also in eine träge Umlaufbahn gebracht und beim Schlag gegen Werners Schwert hieß es »Schnitt« und in der nächsten Szene lagen Wolfsklaue und Morgenstern am Boden. Was folgte, war eine nicht heftromangerechte Abschlachtung des zu Boden gegangenen Werwolfs. Merke: Der Held im Heft-Roman tötet keinen Gegner, der wehrlos ist, nicht mal einen Schwarzblütigen, wenn er sich die Gnade der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften erhalten will. Hier aber wurde der Schädel des Werwolfs mittels beidhändigem Schwertschlag abgetrennt und der Rumpf (Kopf runter unter das Wolfsfell) kollerte beiseite. Triumphierend hebt Draculord den Wolfsschädel empor … Schnitt … der Film wird etwas zurückgedreht, Werner spielt derweilen den Ölgötzen und bekommt die Wolfsmaske auf und beim Kommando »Action« wird der Film noch mal belichtet und es sieht aus, als verwandele sich Werners Kopf in den Wolfskopf. Nachspann … Licht an … Friede … Freude … Eierkuchen.
     Werner unterlegte den Film »DRACULORD« mit experimenteller Instumentalmusik einer Popgruppe, die ich vergessen habe, und sprach einen spärlichen Kommentar dazu. Fertig zusammengeschnitten und mit Musik gefiel uns der Streifen und wir beschlossen, irgendwann mal einen echten Spielfilm zu drehen. (Und noch 'ne verzweifelte Anmerkung: Nix Popgruppe, sondern Teile der ›Sinfonie Celtique‹ des bretonischen Barden Alan Stivell! Barbar, wagnerianischer … ha!)

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Kassel-Helleb., im Februar 1993
Überarbeitet in Felsberg-Rhünda, im August 1999
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