»Im Flur brennt einsam ein Licht«


Heike Giesa anno 1985 Heike Giesa, geb. Müller
* 7. 12. 1960 † 8. 1. 2005

»Im Flur brennt einsam ein Licht.« Das hat sie in eines der zahlreichen Foto-Alben geschrieben. In diesem Fall waren es Fotos, die anläßlich ihres Geburtstags im Jahr 1986 entstanden. Christoph und Othmar waren zu Besuch gekommen, und Heikes Eltern, deren Geschenk, ein wunderschönes Nachthemd, sie dann unter allgemeinem Wunsch von uns Männern gleich anziehen mußte ... und bald darauf löste sich die Versammlung dann auf; es war immerhin schon sehr lange nach Mitternacht. Heike knipste zum Schluß jene Kerze und fügte deren Foto ebenfalls der kleinen Fotogeschichte des Tages zu.
     Überhaupt war das Fotografieren ihr großes Hobby. Speziell bei Regenbogen. Kaum sah sie einen hinter dem Haus auf dem Gelände, schon klickte das Objektiv des Fotoapparats. Fantastische Bilder sind so entstanden, aber sie war nie wirklich zufrieden: »Wenn ich doch einmal so fotografieren könnte, daß die Leuchtkraft auch richtig realistisch durchkommt«, klagte sie häufig. Auch andere Naturbilder beeindruckten sie. Damals, als wir ihre Wohnung in Bündheim aufgelöst haben, um uns gemeinsam in Altenstadt breitzumachen, fuhren wir auf der Autobahn in einen fantastischen Sonnenuntergang hinein. Es war wie ein Zeichen für eine wunderbare Zeit, die vor uns lag.
     Im Flur brennt einsam ein Licht ... nein, es brennt nicht mehr. Dunkelheit ist über uns gekommen, und meine Seele weint. Ich fühle mich einsam und verloren, und ich habe zum ersten Mal in meinem Leben wirklich Angst. Angst vor einer Zukunft, die keine mehr ist, da ich mit Heike gestorben bin.
     Dabei sah die Zukunft so wunderbar aus. Wir wollten gemeinsam alt werden, steinalt. Wir wollten ein kleines Haus kaufen, möglichst behindertengerecht oder leicht entsprechend umzubauen, eingedenk der Erfahrungen, die wir mit meinen Eltern gemacht hatten. Doch wozu soll ich jetzt noch ein Haus kaufen? Um darin allein durch eine ewige Nacht zu wandeln, in der kein Stern mir mehr leuchtet?
     »Meine Sternenprinzessin«, habe ich sie immer gern genannt. Das entsprang unter anderem auch unserer gemeinsamen Neigung zu SF-Geschichten, von denen ich eine ihr widmete; das längst nicht mehr erhältliche Perry Rhodan-Taschenbuch »Weltraumfalle Sternenland« habe ich eigentlich nur für Heike geschrieben. »Ich liebe dich«, versicherte ich ihr jeden Tag aufs Neue, und sie liebte mich auch. »Mehr, als du dir vorstellen kannst«, sagte sie. »Heike, ich brauche dich«, habe ich ihr auch oft gesagt, und sie konterte: »Du hast mich doch (am Hals«, neckte sie mich manchmal, gerade so als sei sie eine Last für mich), und du wirst mich auch nicht wieder los.«
     Und doch ist sie gegangen. Einfach so, still und unauffällig, wie sie sich auch sonst immer zurückzuziehen pflegte.
     Sie mochte nie im Vordergrund stehen, stellte sich nie besonders heraus. Das überließ sie lieber mir, der uns immer als »two-for-the-price-of-one« vorstellte. Wir waren ein Team, das sich blind verstand, nicht nur im privaten, sondern auch im beruflichen Umfeld. Und es machte ihr Spaß, im Hintergrund Impulse zu geben, fantastische Ideen zu produzieren ... Sie lektorierte meine Romane, sie dachte mit, war mir oft genug weit voraus. Selbst zu schreiben hat sie sich nie zugetraut, aber dafür war ja auch ich zuständig. Ich werde ihre Ideen kaum weniger vermissen als ihre unerschütterliche, tiefempfundene Liebe.
     Wir stimmten in so gut wie allen Dingen überein, hatten die gleichen Vorlieben und Abneigungen. Es stellte sich heraus, daß wir einmal, noch ehe wir uns kannten und etwa 250 km voneinander entfernt, dasselbe Nachtprogramm im Radio gehört und dieselben Lieder auf Cassette aufgenommen hatten! Wir waren füreinander bestimmt, waren eine Seele in zwei Körpern.
     Kennengelernt haben wir uns bei der Geburtstagsfeier zu meinem 30. Damals hatte ich sie als Begleiterin eines Freundes eingeladen und die Zeichen falsch gedeutet – in Wirklichkeit war das, was die beiden abzogen, nur Show. Auch früher waren wir uns hin und wieder über den Weg gelaufen. Aber gefunkt hat es an jenem Tag, bei ihr noch vor mir. Mir hatte gerade meine damalige Freundin den Laufpaß gegeben, weil ich ihr nicht abenteuerlich genug war, wie sie es formulierte. Ich war also solo, und Heike und Uwe gehörten nicht wirklich zusammen. Irgendwann lag dann ihr Brief in meinem Kasten, und – ich ließ es darauf ankommen. Ich besuchte sie in Bad Harzburg, in Bündheim. Und schon als ich sie auf dem Bahnsteig auf mich warten sah, war mir schlagartig klar: Das ist meine Frau fürs Leben.
     Es wurde eine unvergleichlich schöne Beziehung daraus. »Sie sind also die Frau, die meinem Jungen das Herz gestohlen hat«, waren die Begrüßungsworte meiner Mutter, als Heike das erste Mal nach Lippstadt kam. Väterchen stand ihr eher ablehnend gegenüber; sicher merkte er sehr rasch, daß sie ihm intellektuell weit überlegen war, und so etwas mochte er nicht. Da half es auch nicht, daß Heike ihm gegenüber ein paar Gänge zurückschaltete. Schließlich kam es deshalb zum offenen Streit zwischen meinem Vater und mir. Mütterchen hatte es schwer, diesen Streit wieder zu schlichten. Aber unter seinem Druck blieben die beiden sogar unserer Hochzeit fern; daß das meiner Mutter zusagte, kann ich mir nicht vorstellen, aber da konnte sie sich wohl ausnahmsweise nicht durchsetzen.
     Schon vorher traf ich mich mit Heike immer öfter. Mal war ich in Bündheim, mal kam sie nach Lippstadt, oder wir trafen uns in der Mitte und machten Kassel unsicher. Die Besuche wurden immer länger, und irgendwann beschlossen wir, zusammenzuziehen und zusammenzuleben. Es zumindest einmal für längere Zeit zu probieren.
     Sie gab ihren Beruf als Hausdame in einem Harzburger Hotel auf, auch ihre kleine 1-Zimmer-Wohnung mit Treppenhaustoilette. Jürgen und Karin Grasmück, die mir schon bei meinem Berufsstart als Autor geholfen hatten, meldeten sich: »Warum zieht ihr nicht nach Altenstadt? Wir haben hier ein Haus gesehen, das ...« Und Karin beschrieb es mir am Telefon.
In guten wie in schlechten Tagen ...     Daß wir uns nicht in Lippstadt unter den stets wachsamen Augen meiner Eltern niederlassen wollten, war ebenso klar wie der umgekehrte Fall im Raum Vienenburg/Bad Harzburg im Goslarer Raum. Warum also nicht nach Altenstadt ziehen, als dritten Eckpunkt eines Dreiecks mit annähernd gleichen Entfernungen zu beiden Elterngruppierungen. Wir fuhren hin, unterschrieben den Mietvertrag, und Anfang September 1985 kam der Umzug in das 200-Quadratmeter-Haus, in welchem wir uns fünf Jahre lang wohlfühlen durften. Am 6. Mai 1986 heirateten wir, um in guten und in schlechten Tagen zusammenzustehen, bis daß der Tod uns scheide ...
     Die örtliche Nähe zur Agentur Grasmück erwies sich als förderlich. Aber 1986 war auch das Jahr, in dem die Unterhaltungsromanbranche kollabierte; plötzlich hatte ich sehr viel Zeit, und wir hatten sehr wenig Geld. Zwölf Jahre haben wir gebraucht, aus dem Schuldental wieder 'rauszukommen. Bis dahin mußte gespart werden, koste es, was es wolle, und die Eigenbedarfskündigung kam uns sogar entgegen. Einen Ortsteil weiter fanden wir eine Etagenwohnung, die weniger kostete und sich vor allem besser und somit preisgünstiger beheizen ließ; das war schon mal ein Schritt vorwärts. 1997 erfolgte dann noch einmal ein Umzug, im gleichen Haus in der gleichen Etage, und da sind wir nun ... nein, da bin ich nun. Das Fernziel war immer ein eigenes kleines Haus. »Ich will und werde nicht in diesem Haus sterben«, sagte ich. Nach dem Tod meiner Eltern und dem Verkauf des Hauses in Lippstadt hatten wir genug Geld bereitliegen, um jederzeit zuschlagen zu können. Aber nach der langen Zeit wollten wir nun endlich unsere jetzige Wohnung für ein paar Jahre genießen. Wir hatten ja so unendlich viel Zeit, ein ganzes Leben lag noch vor uns.
     Dachten wir beide.
     Dann, im September 2003, kam der nächste Nackenschlag. Ich spie Blut, kotete blutig und wurde rasant schwächer. Obwohl ich noch warten wollte, brachte Heike es fertig, mich zum Arzt zu schicken, der mich sofort in die Intensivstation des Büdinger Krankenhauses einwies. Ich hatte innere Blutungen; Krampfadern in der Speiseröhre waren geplatzt, und nur eine Stunde später wäre ich am Blutverlust gestorben. Aber nachdem die Ärzte mich von der allerletzten Tür, auf deren Klinke ich die Hand schon liegen hatte, zurückzogen, begann am 3.9.03 mein zweites Leben.
     Ich brauchte viele Monate, mich wieder zu erholen, wissend, daß eine Heilung nach bisherigem Wissen unmöglich ist. Zu viel in meinem Körper ist mittlerweile geschädigt. Ich litt als unwillkommene Nebenwirkung unter Blackouts, die manchmal tagelang andauerten; ich hatte keine Erinnerung an das, was ich in diesen Zeiträumen gemacht habe. Ich konnte anfangs nicht arbeiten; ich saß vor der Tastatur und drückte auf die falschen Tasten, überzeugt davon, daß es die richtigen sein; ich bekam keine Telefonnummer richtig gewählt, und einmal war es soweit, daß ich tagelang kaum richtig sprechen konnte. »So kann ich doch nicht weiterleben«, artikulierte ich mich lallend und nach den richtigen Wörtern suchend, die mir in dem Moment von der Zunge schwinden wollten, wo ich sie aussprach. »Doch, du kannst und du mußt und wirst weiterleben«, verlangte Heike mit Nachdruck. »Du schaffst das.«
     Und ich habe es geschafft. Heike, meine Sternenprinzessin und Zauberfee (»Aber ich kann doch gar nicht zaubern!«), hat mir die Kraft dafür gegeben, so wie sie auch in jenen Jahren genug Kraft für uns beide hatte, als wir meine Eltern pflegten. Heike hatte jede Menge Power und einen unglaublichen Lebenswillen.
     Nur für sie selbst hat er nicht ausgereicht.
     In den letzten Tagen kränkelte sie. Sie war ständig müde, konnte aber nicht richtig einschlafen. Nach einer, vielleicht zwei Stunden stand sie wieder auf, weil sie zur Toilette mußte. Ihre Blase drückte, aber es kam nichts. Die Flüssigkeit, die sie zu sich nahm, blieb in ihrem Körper. Sie hustete immer stärker und würgte dabei, als habe sie zu schnell zu viel Luft mitgeschluckt. »Du mußt zum Arzt«, drängte ich sie immer wieder. »Oder noch besser direkt ins Krankenhaus.«
     Aber sie wollte nicht. »Morgen geht es mir bestimmt wieder besser.« Aber es ging ihr nicht besser. »Aber morgen ...«, und schließlich versprach sie mir, nach dem Wochenende ganz bestimmt zum Arzt zu gehen. Verdammt, ich hätte sie bereits einen oder besser zwei Tage vorher hin zwingen sollen, notfalls mit sanfter Gewaltanwendung. Ihre Leber war schon seit längerem geschädigt, jetzt schien mir auch ihre Niere nicht mehr so recht mitmachen zu wollen. Sie hatte ja nur eine – undank ihrer Contergan-Schädigung. Aber ich habe es nicht getan, nur auf sie eingeredet und sie zu überzeugen versucht. »Jetzt wirst du ein wenig auf mich aufpassen müssen«, sagte sie eingedenk dessen, daß sie ein Jahr lang eher auf mich und meine Gesundheit aufgepaßt hatte.
     Wer wird das künftig tun? Wer hilft mir, wer schützt mich vor mir selbst, falls irgendwann die Blackouts wiederkommen?
     Am Samstag Vormittag legte sie sich wieder zum Schlafen hin. Sie taumelte etwas, als sei sie betrunken, aber das war nicht der Fall. Ich deckte sie zu, verließ das Schlafzimmer, um eine Arbeit zu vollenden; ich hatte die Tür in den letzten Tagen entgegen früher offen, weil Heike Hilfe brauchte und ich dann ihr Rufen hören können mußte. Aber sie rief nicht, und als ich mich selbst hinlegte, schlief sie. ›Endlich‹, dachte ich, ›kann sie schlafen.‹ Ihren Atem hörte ich nicht, aber das war normal; sie atmete fast immer so lautlos.
     Einige Stunden später erhob ich mich, um noch ein paar Einkäufe zu machen, bevor die Geschäfte schlossen. Als ich heimkehrte, lag Heike immer noch still im Bett. Ich beschloß, sie doch zu wecken, damit sie etwas trank. Sie sollte mir ja nicht vertrocknen. Auch wenn das Wasser erst mal nicht abging.
     Aber ich bekam sie nicht wach, und sie war seltsam kalt. Ich rief den Notarzt an. Der schickte mich aus dem Zimmer, muß irgendetwas noch versucht haben, aber dann kam er ins Wohnzimmer und fragte trocken: »Wann haben Sie sie denn gefunden?« Ich sagte es ihm, und er meinte: »Daß sie tot ist, wissen Sie ja ...?«

Nein, ich wußte es nicht! Ich hatte es zwar schon befürchtet; ich habe schon verdammt zu viele Tote gesehen in meinen beiden Leben, aber ich klammerte mich an die verzweifelte Hoffnung, sie sei nur ins Koma gefallen und man könne noch etwas machen.
     Man konnte es nicht mehr.
     Meine geliebte Frau, meine Gefährtin, die ich mehr liebe als alles auf der Welt und für die ich alles geben würde, wenn sie wieder zu mir zurückkäme – sie ist tot. Sie ist einfach so gegangen, wie sie es immer machte, leise und unauffällig.
     Und alle Träume und Hoffnungen, die wir beide hatten, sie sind einfach geplatzt. Explodiert und im endlosen Nichts verschwunden. Wir hatten doch noch viel vor, selbst am letzten Tag steckte sie noch voller Ideen und Pläne, wir haben herumgealbert wie immer ... und dann legt sie sich hin und schläft ein, um niemals wieder zu erwachen ...
     Alles ist so leer, so sinnlos. Wäre sie bei einem Unfall umgekommen oder bei einer Naturkatastrophe, ich könnte es verstehen. Aber einfach so? Nein ... Heike, komm zurück, laß mich nicht so allein! Gibt es keinen Reset-Schalter? Komm, das Ganze noch mal, aber diesmal stellen wir die Weichen rechtzeitig anders!
     Aber diesen Reset-Schalter gibt es nicht. Heike ist ihren letzten Weg gegangen. Aus, vorbei für immer und ewig. Nichts wird jemals wieder so sein können, wie es einmal war. Alles haben wir immer gemeinsam gemacht und erlebt, einfach alles! Und jetzt stehe ich allein vor den zerstörten Träumen von den unzählbar vielen Dingen, die wir noch planten. Ich gehe durch die Wohnung, die plötzlich viel zu groß ist, die viel zu leer ist, obgleich jeder Zentimeter noch Heikes sanft ausrichtende Hand zeigt. Egal, wohin ich schaue, ich werde an sie erinnert, immer und immer und immer wieder. Da waren ihre Lieblingsplätze, an denen sie immer gesessen oder sich manchmal auch geradezu verkrochen hat, da läuft einer ihrer Filme im Fernsehen, bei dem sie nicht gestört werden möchte, dort sind ihre Blumen; hier und da ein Kleidungsstück, ein paar Zettel mit ihren Notizen. In meinem Büro unser Laptop, den sie mitnahm, wenn wir zu meinen Eltern mußten, wo nur ein »normaler« Computer stand, sie aber auch da noch weiter für mich arbeitete. Ihr Arbeitszimmer, ihre Schränke, und ihr Bett, in dem sie gestorben ist, in dem sie vielleicht sogar schon tot war, als ich mich neben ihr niederließ – wer weiß?
Zu schnell für die Kamera: unser Urlaub am Rhein 1986     In mir ist nur noch eine furchtbare Kälte. Warum sie? Warum Heike? Ich kann mir nicht vorstellen, daß ihr jemals jemand etwas Böses gewünscht hat. Sie hat selbst niemandem jemals etwas getan. Mit ihrem fröhlichen Wesen zog sie die Herzen der Menschen in ihren Bann, mit denen sie zu tun hatte. Wie beliebt sie war, zeigt die Reihe der Anteilnehmenden im Foltom-Forum. Ich glaube, sie wäre stolz darauf gewesen. Aber so ist es nur traurig, unsagbar traurig. Und jedesmal, wenn ich jetzt in die Wohnung zurückkomme, glaube ich, daß sie im Wohnzimmer sitzt oder in der Küchentür steht und mich anlacht: »Reingefallen! Na, jetzt habe ich dich aber 'rangekriegt! Dein Gesicht hättest du gerade sehen sollen!« Ja, das sind ihre Worte. Ich glaube einfach nicht, daß sie tot ist, sie kann es nicht sein. Ich brauche sie doch noch! Zum Lachen, zum Weinen, zum Endlos-Diskutieren, zum Austreiben vieler meiner Vorurteile und zum Mich-zurecht-stutzen, wenn ich mich mal wieder in etwas verrannt habe in meinen zynisch-polemischen Gedankengängen. Ich brauche sie, um ihre Hand zu halten, um sie zu küssen und zu streicheln, um ihre Wärme ganz nah an mir zu spüren, um einfach gemeinsam eine Liebe zu empfinden, wie ich sie nie wieder erleben kann.
     Ernsthaft gestritten haben wir uns nie. Wenn es Meinungsverschiedenheiten gab, wurden die ausdiskutiert und damit bereinigt. Sie war eine so unglaublich starke und zärtliche Frau, wir verstanden uns ohne Worte. So etwas werde ich niemals wieder finden.
     Andere haben in der Zwischenzeit geheiratet und sind längst wieder geschieden –; einer von ihnen bereits zum dritten Mal. Wir beide waren vom ersten bis zum letzten Tag voller Liebe zueinander. »Was machen wir zur Silberhochzeit?« haben wir vor ein paar Tagen erst noch überlegt. »Dauert ja nicht mehr lange; wen laden wir ein?« Niemanden werden wir einladen. Es war uns nicht einmal vergönnt, 20 Jahre voll zu bekommen. Dabei hatten wir doch so unendlich viel Zeit ...
     Es kann nicht die Wahrheit sein. Es ist ein böser Alptraum. Warum weckt mich niemand?
     Ich weiß nicht, ob und wie ich jemals damit fertig werden kann. Nur noch ein Schatten bin ich, gestorben mit Heike, deren erfrischendes Lachen ich niemals wieder hören werde. Deren strahlende Augen ich niemals wieder sehen werde. Niemals wieder.
     Alles ist so leer, so banal und so sinnlos geworden. Ein kleiner Trost bleibt mir nur: Sie scheint ohne Schmerzen gestorben zu sein; sie ist wohl einfach nur eingeschlafen für immer. Ihr schlafendes Gesicht war entspannt und gelassen, so als habe alles seine Richtigkeit.
     Heike, ich liebe dich. Nach wie vor, und wenigstens das wird nicht enden. Und irgendwann werden wir wieder zusammen sein. Wann und in welcher Form auch immer.
     Mein leuchtender Stern am Himmel, der mir auch in größter Dunkelheit immer den Weg zeigte, ist erloschen. Nur die Finsternis ist geblieben.
     Und im Flur brennt einsam ein Licht.

Werner K. Giesa, Januar 2005



Am 23. Januar, gut zwei Wochen nach ihrem Ableben, wurde Heike beigesetzt. Allen, die so zahlreich an der kleinen Zeremonie teilnahmen, um Abschied von dieser wunderbaren Frau zu nehmen, sei ganz herzlich gedankt.

     Das Bild mit der Kerze ist das im Anfang des obenstehenden Textes erwähnte; die Handschrift Heikes zugehörige Notiz in dem Foto-Album.

     Vergeßt Heike nie! Sie hat es sich mit ihrer Herzenswärme verdient, daß man sich immer an sie erinnert. Dieses Licht darf niemals erlöschen!


Und ich liebe sie immer noch …!



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